Die GAL befürchtet, dass die Sozialdemokraten in der Hansestadt per Gesetzesänderung den Rechtsanspruch auf Sozialleistung kippen.

Hamburg. Die Hamburger Sozialbehörde hat die Leitung einer bundesweiten Arbeitsgruppe von SPD-Staatssekretären übernommen, die sich eine womöglich einschneidende Änderung des Kinder- und Jugendhilferechts zum Ziel gemacht hat. Am Ende des Prozesses könnte die Abschaffung des Rechtsanspruches auf Hilfe zur Erziehung aus Kostengründen stehen. In einem Diskussionspapier, welches in der Behörde entworfen wurde, ist deshalb von einer Gesetzesnovellierung die Rede.

Bei der GAL stoßen diese Aktivitäten auf Kritik. "Ein solcher Schritt würde dazu führen, dass die Länder sich Jugendhilfe nur dann noch leisten, wenn die Kasse es hergibt", sagt deren familienpolitische Sprecherin Christiane Blömeke. Die SPD wolle bei der individuellen Familienhilfe aus einer Regel eine Ausnahme machen. "Die Hilfe zur Erziehung wäre nicht mehr einklagbar."

Die Kosten für Familienhilfen haben sich seit 2001 um etwa 100 Millionen Euro auf heute rund 233 Millionen Euro im Jahr erhöht. Kindesvernachlässigungen mit tödlichem Ausgang wie die von Jessica (2005) und Lara-Mia (2009) haben dazu geführt, das die Ausgaben immens gestiegen sind. An deren Höhe sollte auch erkannt werden, wie wichtig die Problematik genommen wird. Um Schicksale wie die von Jessica und Lara-Mia künftig zu verhindern, ist es bislang üblich, Sozialarbeiter in die Familien zu entsenden, damit diese dort individuelle Hilfsprogramme und Unterstützungen entwickeln.

Nach Überzeugung der GAL hat die SPD vor, bei diesen Maßnahmen, auf die betroffene Familien einen Anspruch haben, drastisch zu sparen. Die Abschaffung dieses Rechtsanspruchs ist allerdings nur über eine Änderung der Sozialgesetzgebung auf Bundesebene möglich. Deshalb sei es laut Blömeke Ziel, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen. "Mit den grünen Koalitionspartnern in den Ländern ist dieses Thema bislang nicht beraten worden."

Alternativ sei vorgesehen, die sogenannte Sozialraumorientierung auszubauen. Mit diesem sperrigen Begriff sind Hilfsangebote etwa in Schulen und Kitas gemeint oder Eltern-Kind-Zentren und Begegnungsstätten mit pädagogisch geschultem Personal. Nach Meinung von Blömeke ist diese Maßnahme allein zu wenig. "Daraus eine Ausschließlichkeit zu machen entspricht weder dem Anspruch an bedarfsgerechten Angeboten in der Jugendhilfe noch unserer Idee von sozialen Bürgerrechten", kritisiert die GAL-Familienexpertin. Damit werde hilfsbedürftigen Eltern das Recht auf Unterstützung genommen.

Energisch warnt sie vor dem Wegfall des Rechtsanspruchs: "Wie erfolgreich ein derartiger Anspruch ist, zeigt sich gerade bei der Kindertagesbetreuung. Erst mit dem Rechtsanspruch wurde der Ausbau der Kita-Plätze bedarfsgerecht gestaltet."

Laut Sozialbehörde stellt sich die aktuelle Lage weniger konkret dar. Zwar gebe es die Idee, das Kinder- und Jugendhilfegesetz zu ändern. Aber man sei noch am Anfang der Diskussion, welche einen offenen Ausgang habe, sagt Behördensprecherin Julia Seifert. Allerdings gehe es darum, die Kosten "nicht noch weiter explodieren" zu lassen. "Die Fallzahlen und die Kosten bei der Hilfe zur Erziehung steigen an", sagt Seifert. In Erfolgen spiegele sich das nicht wider. Deshalb werde nach Alternativen gesucht.

Nun versprechen sich die Experten mehr Erfolg davon, die Hilfe außerhalb der Wohnungen, also eben nicht mehr in den Familien, anzubieten. "Damit soll das Selbsthilfepotenzial geweckt werden", argumentiert Seifert. Mit niedrigschwelligen Angeboten wie Mütter-Cafés oder Abenteuerspielplätzen sollen Betroffene "angelockt" werden. "Wir wollen die Familien aus ihren Wohnungen holen, um sie in Kitas und Schulen zu vernetzen."

Gleichwohl werde es immer wieder Fälle geben, in denen Familien zu Hause besucht würden. Welche der beiden Maßnahmen aber wie wirkungsvoll ist, darüber gebe es bislang keine Untersuchungen.