Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft über die umstrittene Kennzeichnungspflicht

Hamburg. Nachdem Berlin zum 1. August als erstes Bundesland Namensschilder für Polizisten eingeführt hat, wird diese Kennzeichnungspflicht" auch in Hamburg diskutiert. Neben der GAL-Bürgerschaftsfraktion plädiert nun auch die Piraten-Partei für eine entsprechende Regelung in der Hansestadt. Ihre Forderung: Polizisten in Uniform müssen individuell erkennbar sein. Die Notwendigkeit einer Kennzeichnung werde laut Piraten-Partei zunehmend deutlich, seitdem mithilfe von Handys und Internet Bürger "Mitschnitte von unverhältnismäßigen Polizeiübergriffen" an die Öffentlichkeit bringen würden.

Gegner der Namenschilder befürchten dagegen, dass Polizisten zum Ziel von Angriffen werden könnten. Diese Meinung vertritt auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Das Abendblatt sprach mit dem DPolG-Landeschef Joachim Lenders.

Abendblatt:

Wie stehen Sie zu der Kennzeichnungspflicht von Polizisten?

Joachim Lenders:

Grundsätzlich befürworten wir es, dass Polizisten Namensschilder tragen. Aber sie sollen weiterhin freiwillig darüber entscheiden dürfen. In Hamburg tragen mittlerweile rund 90 Prozent aller Polizisten freiwillig ein solches Schild. Im alltäglichen Dienst gibt es kaum schlechte Erfahrungen. Aber eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten bei geschlossenen Einsätzen lehnen wir generell ab.

Warum?

Lenders:

Es ist gefährlicher Unfug und ein verfassungswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Zudem könnte eine Kennzeichnungspflicht dazu führen, dass sich Beamte in bestimmten Einsatzsituationen anders verhalten. Die Berufsmotivation würde darunter leiden.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Lenders:

Bei einer Demonstration, bei der eine hohe Gewaltbereitschaft erwartet wird, würden sich die Polizisten vermutlich eher zurückhaltend verhalten - weil sie verhindern wollen, dass sie grundlos für etwas beschuldigt werden. Es ist bereits vorgekommen, dass Polizisten, die einen Platz räumen mussten, später vor allem von Personen, die dem linksautonomen Spektrum angehören, angezeigt wurden. Sie haben Beamte zu Unrecht beschuldigt, den Schlagstock eingesetzt und sie geschubst zu haben. Für die betroffenen Beamten bedeuten aus der Luft gegriffene Vorwürfe viele Unannehmlichkeiten und berufliche Nachteile. Es wird etwa disziplinarisch gegen sie ermittelt, Beförderungen werden gestoppt. Zudem würde eine Kennzeichnungspflicht den Trend, dass zunehmend Gewalt gegen die Polizei ausgeübt wird, verschärfen sowie Beamte und ihre Familien gefährden.

Inwiefern?

Lenders:

Im Straßenzug Sonnenland am Rand von Billstedt wurde Beamten beispielsweise schon mal von Möchtegern-Zuhältern damit gedroht, dass ihre Familien Schaden nehmen, sollten die Polizisten weiter gegen sie agieren. Ein Beamter, der ein Namensschild trug, bekam Sätze wie "Wir wissen, wer du bist und wo du wohnst, du solltest nichts gegen uns unternehmen" zu hören. Ein anderes Mal haben Hooligans den Namen eines Polizisten in Internetforen veröffentlicht und Druck auf ihn und seine Familie ausgeübt. Das sind Einzelfälle, aber bei bestimmten Einsätzen sollten sich die Beamten genau überlegen, ob sie ein Namensschild tragen oder nicht.

Befürworter der Kennzeichnungspflicht argumentieren damit, dass staatliches Handeln keinen Schutz durch Anonymität brauche ...

Lenders:

Es geht nicht darum, dass irgendetwas vertuscht werden soll. Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Gewalt und Krawall geht nicht von der Polizei aus. Die Polizei schreitet lediglich ein, wenn beispielsweise von Linksautonomen oder randalierenden Fußballfans Gewalt ausgeht.

Wird sich die Kennzeichnungspflicht in Hamburg durchsetzen?

Lenders:

An eine politische Mehrheit glaube ich nicht. Statt wirksam gegen vermummte Krawallmacher vorzugehen, beschäftigen sich Landespolitiker mit Kennzeichnung von Polizisten, das ist lächerlich und geht völlig an den tatsächlichen Problemen der Gesellschaft vorbei.