Am Wochenende, wenn viele Jugendliche unterwegs sind, enden die Bahnen in Volksdorf. Dann ist Fußmarsch durch den Wald angesagt.

Ohlstedt. Wenn das Wochenende in den Walddörfern beginnt, wo es für Familien ebenso schön ist wie für feierfreudige Jugendliche öde, sie also in Scharen zum Kiez aufbrechen, dann stellen Eltern jene wiederkehrende Frage: "Wie kommst du nach Hause?" Die offenherzige Antwort eines Jugendlichen, die - "natürlich" - nicht repräsentativ sei: Manchmal laufe man eine Dreiviertelstunde von U-Bahnhof Volksdorf durch den Wald nach Ohlstedt, jetzt im Sommer sei dort ja kein Glatteis. "Mit zwei Promille im Blut kommt einem das nicht so lange vor."

Was geläufiges Problem in Hamburgs Randgebieten sein dürfte - immer wieder setzen sich Jugendliche nach der Party hinters Steuer - scheint hier im Norden unnötig: Buckhorn, Hoisbüttel, Ohlstedt sind gut angebunden mit der U-Bahn. Eigentlich. Die Bahnen fahren im Stadtgebiet auf Anregung der Aktion "Jugendliche im Parlament" seit 2004 an Wochenenden auch nachts. Rund vier Millionen Euro zusätzlich gibt der HVV dafür aus. Doch auf der Linie U 1 ist in Volksdorf Schluss.

Die Züge fahren weder nach Ohlstedt, noch nach Großhansdorf. Zu hohe Kosten, zu wenig Nachfrage, heißt es beim HVV. "Mehrkosten, die nicht durch Fahrgeldeinnahmen aufgewogen werden, bedeuten zusätzliche Belastung der Staatskasse", sagte eine Sprecherin. Auch fahren die Züge nachts am Wochenende nur nach Blankenese statt nach Wedel, nur zum Niendorf-Markt, nicht nach Niendorf-Nord.

Es ist eine Geschichte über Jugend am Stadtrand, aber auch die Frage nach den Aufgaben des HVV als öffentliches Unternehmen für alle Hamburger. Und darüber, wie sehr der Gedanke der "Metropolregion" wirklich umgesetzt wird. Bei der Anbindung nach Großhansdorf etwa geht es auch darum, ob sich Schleswig-Holstein an den Extra-Kosten für die Nachtfahrten beteiligt.

"Ich habe Taxiunternehmen reich gemacht", sagt Vater Christian Lenz, der mit seiner Familie nahe der U-Bahn Ohlstedt wohnt. Zeiten habe er seinen Töchtern nie vorgegeben, wohl aber, dass sie nie größere Strecken alleine durchs Dunkle nach Hause laufen. "Würden die Bahnen durchfahren, hätten wir das Problem nicht." Aber er vertraut seinen beiden Mädchen. Und so zahlt er Taxifahrten oder Tochter Karlotta (18) ruft ihn nachts vom Handy an, das sie ebenfalls aus diesem Grund bekommen hat. Herr Lenz ist einer von vielen Vätern in den Walddörfern, die mitten in der Nacht aufstehen, um Kinder einzusammeln. "Ich weiß doch, was läuft, bin doch selbst auf dem Dorf groß geworden", sagt er. "Natürlich bewegen wir uns in Gruppen und passen auf, aber es nervt schon ziemlich, dass die Bahn nicht einfach fährt", sagt seine Karlotta. "Es wäre auch okay, wenn sie alle halbe Stunden fährt." Nun, wo sie einen Führerschein hat, holt sie manchmal auch nachts ihre 16-Jährige Schwester ab - mit dem Auto, das sie von Papa bekommen hat.

Der HVV empfiehlt neuerdings, den auch nachts eingesetzten Bus 276 vom S-Bahnhof Poppenbüttel zu nehmen. Im Idealfall ist man von der Reeperbahn bis Ohlstedt eine gute Stunde unterwegs - wenn man den Bus erwischt, der nur stündlich fährt. "Das ist nervig, weil die U-Bahn nur drei Stationen weiter fahren müsste", sagt Thomas Hennig, 18, der mit Kopfhörern am Bahnhof vorbeiläuft und es oft "krachen lässt" auf dem Kiez. Den Nachtbus nehme er "eigentlich nie". Wie viele Jugendliche. "Das Angebot wird nicht angenommen, auch weil da komische Typen an der Haltestelle sitzen", sagt Vater Lenz.

"Für den HVV scheint die Welt in Volksdorf aufzuhören", sagt Christiane Blömeke, die als Abgeordnete aus den Walddörfern und dem Alstertal für die GAL in der Bürgerschaft sitzt. Sie ist Mutter dreier Kindern, 18, 21 und 23 Jahre alt, und sie kennt das Problem bestens. "Nicht nur mir, sondern auch vielen anderen Eltern hat das zahlreiche schlaflose Nächte bereitet, weil wir unsere Kinder zu später Stunde vom Bahnhof Volksdorf abholen mussten."

Natürlich sind es nicht nur Jugendliche, die am Wochenende gerne in die Stadt fahren. Am Bahnhof Ohlstedt hängen Poster für Konzerte im Stadtgebiet. "Ich fahre gerne auch mal nach Altona", sagt Dolmetscherin Angelika Kieran. "Natürlich will man auch ein paar Bier trinken und nicht auf das Auto angewiesen sein."

Hoffnung besteht aber: SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, Abgeordneter aus der Gegend, hat sich in der Opposition für Nachtfahrten der Bahn eingesetzt und will nach der Sommerpause dem HVV "die Prüfbitte" zukommen lassen, einen Testlauf zu starten, sagte Dressel dem Abendblatt. Überlegung sei auch, im Gegenzug den Nachtbus einzustellen, um Kosten zu sparen. "Dann müssen die Jugendlichen beweisen, dass sie die Bahn wirklich nutzen."