Schwere Vorwürfe gegen Vattenfall: Hamburg sollen wegen nicht gezahlter Konzessionsabgaben dabei bis zu 70 Millionen Euro entgangen sein.

Hamburg. Der Energiekonzern Vattenfall soll seine Bilanzen im Bereich Fernwärme jahrelang nach unten korrigiert haben, um keine "Sondernutzungsgebühr" an die Stadt Hamburg zahlen zu müssen. Diese Vorwürfe erhebt der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Das Magazin spricht von 50 bis 70 Millionen Euro, um die der Konzern die Stadt "gebracht haben" soll. Vattenfall bestreitet dies und weist die Vorwürfe "energisch zurück".

Laut den Wirtschaftsprüfern der Gesellschaft Göken, Pollak, Partner (GPP), die im Magazin zitiert werden, habe Vattenfall "viele Jahre lang seine Fernwärmesparte mit Bilanztricks systematisch arm gerechnet, um ein 'Sondernutzungsentgelt' zu vermeiden". GPP waren zu Zeiten von Schwarz-Grün von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) mit der Kontrolle der Konzernbilanzen beauftragt worden, nachdem der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2007 eine "unzureichende Prüfung" der Vattenfall-Angaben durch die Verwaltung bemängelt hatte. Die behördlichen Controller hatten den Verdacht geäußert, es könne sein, dass "die Gewinnermittlung für Hamburg nachteilig sei".

Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier sagte gestern dem Abendblatt zu den neuerlichen Vorwürfen, das Unternehmen habe "sich jederzeit vertragskonform verhalten". Zudem hätten Wirtschaftsprüfer die Ergebnisse testiert. Kleimeier nennt den "Spiegel"-Artikel mit Verweis auf das derzeit laufende Volksbegehren "Unser Hamburg - unser Netz" zum Rückkauf der Versorgungsnetze "politisch motiviert".

Und darum geht es. Beim vollständigen Verkauf der Hamburgischen Elektricitätswerke (HEW) im Jahr 2001 wurde im Konzessionsvertrag zwischen Stadt und Vattenfall vereinbart: "Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Benutzung der öffentlichen Wege für Fernwärmeleitungen entgeltpflichtig wird, wenn mit dem Fernwärmebereich Gewinne erwirtschaftet" werden. Das bedeutet, sobald Vattenfall in diesem Segment Gewinn macht, erarbeitet die Stadt eine entsprechende Verordnung, und Vattenfall zahlt an die Stadt.

Nach Vattenfall-Bilanzen hat es hier aber nie Gewinne gegeben. Für das Jahr 2007 meldete der Konzern gar Verluste von rund 14 Millionen Euro. Die Prüfer von GPP errechneten dagegen ein Plus von mindestens 30 Millionen Euro. Ihr Fazit: "Die von Vattenfall vorgelegte Ermittlung des Ergebnisses für den Geschäftsbereich Fernwärme entspricht unseres Erachtens nicht den vertraglichen Regelungen."

Tatsächlich gibt es zwei Berechnungsarten für die Gewinne aus der Fernwärmesparte. Variante 1: Berechnet werden nur die Gewinne und Verluste der Fernwärmenetze. Hier hat Vattenfall nach eigenen Angaben keine Gewinne gemacht. Variante 2: Man berechnet das Netz-Ergebnis und addiert es mit dem Ergebnis der Kraftwerke Tiefstack und Wedel, wo die Fernwärme erzeugt wird. Bei dieser Berechnung hätte Vattenfall nachweislich Gewinne gemacht. Jetzt geht es auch um die Frage: Welche Variante haben Hamburg und Vattenfall-Vorgänger HEW vereinbart?

Aus BSU-Kreisen hat das Abendblatt gestern erfahren, dass es vor Jahren eine "politische Entscheidung" für Variante 1 gegeben habe. Ziel war, die Fernwärme so gegenüber Öl und Gas konkurrenzfähig zu machen. Denn die Abgabe, die Vattenfall hätte zahlen müssen, wird grundsätzlich auf den Verbraucherpreis aufgeschlagen.

Der Hamburger Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) - Mitbegründer der Volksinitiative - will heute Belege veröffentlichen, dass Vattenfall trotzdem Gewinne mit den Fernwärmenetzen gemacht hat. So sollen öffentliche Fördergelder zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in den Bilanzen falsch berechnet worden sein. Es bleiben viele Fragen. Fakt ist: Die Umweltbehörde arbeitet derzeit an einer neuen Verordnung. Danach soll Vattenfall - unabhängig vom Gewinn - ein "Sondernutzungsentgelt" zahlen müssen.