Knapp 80 große Bauvorhaben gibt es bereits. Interview mit dem designierten Staatsrat der Stadtentwicklungsbehörde Michael Sachs.

Hamburg. Der Wohnungsbau steht ganz oben auf der Agenda des neuen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD). 6000 Wohnungen pro Jahr lautet das ehrgeizige Ziel des Senats - Proteste in den Quartieren scheinen da programmiert.

Einer, der dieses Ziel umsetzen soll, ist Michael Sachs. Der ehemalige Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga/GWG wurde schon vom Vorgängersenat als Wohnungsbau-Koordinator engagiert. Morgen soll er als Staatsrat der Stadtentwicklungsbehörde vereidigt werden. Dem Abendblatt gab er vorab ein Interview.

Hamburger Abendblatt : Wie stark ist das Protestpotenzial in Hamburg?
Michael Sachs: Das ist sehr unterschiedlich. Bei einigen Projekten wehren sich die Bürger gegen zu hohe Verdichtung - bei anderen ist man gegen jegliche Art von Bebauung. Und es gibt Fälle, da ist die Bürgerschaft gegen die geplante Bebauung. Ich nenne das Beispiel Rissen, da wollen die Bürger eine zusätzliche Querung der B 431 und der S-Bahn haben - für 400 Wohnungen. Wenn es 800 neue Bewohner im Klövensteen gibt, bedeutet das nicht unbedingt, dass eine neue Straße gebaut werden muss. Wichtig ist auch zu beachten: Hamburg braucht Wohnungen, das ist auch eine Protestebene. Und die organisiert sich nicht vor Ort, sondern auf dem Rathausmarkt.

Kann der Protest so stark werden, dass der neue Senat sein Ziel von jährlich 6000 neuen Wohnungen nicht verwirklichen kann?
Sachs :Wir haben die direkte Demokratie, damit der Bürger vor Ort sagen kann, was er möchte. Aber deswegen hat der Bürger nicht per se recht. Wir haben immer noch eine parlamentarische, eine repräsentative Demokratie. Und die muss in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, die den Bürgerinnen und Bürgern manchmal nicht gefallen, aber im gesamtstädtischen Interesse sind.

Muss man da neue Wege gehen?
Sachs : Ja. Denn das war in der Vergangenheit unausgewogen, weil sich viele Bezirksversammlungen und Bezirkspolitiker automatisch den Bürgervoten angeschlossen haben. Da müssen wir lernen, wie wir mit repräsentativer Demokratie umgehen.

Wie?
Sachs : In dem wir gegebenenfalls auch mal ein Bürgerbegehren überstimmen. Seit 2006 haben wir das neue Bezirksverwaltungsgesetz, und wir haben wohl noch nicht lange genug die Beteiligungsformen eingeübt, die die Bürger rechtzeitig informieren und einbeziehen und deren Meinung auch im Planungsprozess abbilden.

Was bedeutet das für die neue Bausenatorin?
Sachs :Vor allem, dass sie in den Bezirken das Bewusstsein stärken muss, dass ein Senat ohne bezirkliche Wahrnehmung von Wohnungsbauinteressen und die Mitwirkung daran nicht viel erreichen kann. Wir können nicht alles evozieren. Die Bezirke müssen mitspielen und sich aktiv einbringen.

Ist der Protest in einigen Stadtteilen besonders verortet?
Sachs : Ja. Die Instrumente der direkten Demokratie werden von den privilegierten Bürgern besser in Anspruch genommen. So ist es immer leichter, ein Wohnungsbauvorhaben beispielsweise in Wilhelmsburg umzusetzen als in Blankenese.

Zusammenfassend: Halten Sie das Ziel, 6000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, für gefährdet?
Sachs : Definitiv ja. Und deshalb müssen wir die Rollen der direkten Demokratie, der Bürgerbeteiligung und der Information neu einüben - und standhaft sein im Sinne der gesamtstädtischen Interessen.

Das wird eine Ihrer wichtigsten neuen Aufgaben sein?
Sachs : Ja. Aber hallo!