Hamburg. Nicht nur in der Bürgerschaft, auch in den sieben Bezirksversammlungen führt die Wahl zu erdrutschartigen Veränderungen. In kaum einem der Regional-Ausschüsse können die bisherigen Koalitionen erhalten bleiben.

Grundsätzlich gilt: Die Ergebnisse auf Bezirksebene weichen zum Teil deutlich von denen auf Landesebene ab - was dafür spricht, dass die Wähler Landes- und Lokalpolitik bewusst voneinander trennen. So erreicht die SPD, die 48,3 Prozent der Landeslistenstimmen für die Bürgerschaft erringen konnte, in den Bezirken im Schnitt nur 44,9 Prozent. Auch die FDP holt in der Lokalpolitik mit 6,0 Prozent etwas weniger als bei der Bürgerschaftswahl (6,6). Die CDU, auf Landesebene mit historisch niedrigen 21,9 Prozent abgestraft, liegt auf Bezirksebene mit 23,2 Prozent hingegen etwas besser. Auch die GAL (14,2 statt 11,2) und die Linke (7,0 statt 6,4) haben in den Bezirken etwas mehr Zustimmung.

In Mitte zieht erstmals die Piratenpartei in eine Bezirksversammlung ein

Ein Novum gibt es im Bezirk Mitte: Dort zieht die Piratenpartei erstmals in ein Hamburger "Parlament" ein. Die noch relativ junge Partei, die sich trotz des schrillen Namens durchaus ernsthaft mit Themen wie Datenschutz und Zensur im Internet beschäftigt, profitiert vom neuen Wahlrecht, das für die Bezirksversammlungen statt der Fünf- nur die Drei-Prozent-Hürde vorgibt. Diese Hürde nehmen die Piraten mit 4,6 Prozent der Stimmen locker und erhalten zwei Mandate. Allerdings gelten Parteien, die zwar die Drei-, aber nicht die Fünf-Prozent-Hürde knacken, nicht als Fraktion, sondern als Gruppe. Sie haben etwas weniger Rechte, zum Beispiel bei der Besetzung von Fachausschüssen.

Einer der zwei Piraten in der Bezirksversammlung Mitte wird Andreas Gerhold sein. "Wir wollen die Transparenz in der Stadtentwicklung erhöhen", sagte der St.-Pauli-Bewohner dem Abendblatt. "Besonders bei den Esso-Häusern und im Bernhard-Nocht-Quartier wurden Kommunikationsfehler gemacht." Gerhold möchte besonders dem Quartier St. Pauli eine "starke, bunte Stimme" verleihen.

In fast allen Bezirken haben die Piraten die Drei-Prozent-Hürde nur äußerst knapp verfehlt und sich somit klar als sechste Kraft im Hamburger Parteiensystem etabliert.

Mitte ist einer der wenigen Bezirke, in denen die bisherige Koalition (Rot-Grün) fortgesetzt werden könnte. Da die SPD (47,5 Prozent, 25 von 51 Sitzen) die absolute Mehrheit hauchdünn verfehlte, könnten sie weiter auf die GAL (14,5 Prozent - 8 Sitze) als Partner setzen. Aber auch die CDU (17,7 - 9), die Linke (10,0 - 5) oder die FDP-"Gruppe" (3,9 - 2) kämen infrage.

Schwarz-Grün gehört auch in Altona und Harburg der Vergangenheit an

Definitiv beendet sind wie auf Landesebene die schon seit 2004 bestehenden schwarz-grünen Koalitionen in Altona und Harburg. In Altona liegt die SPD mit 40,2 Prozent zwar deutlich unter ihrem Bürgerschaftsergebnis, hat aber mehr Stimmen als CDU (21,6 Prozent) und GAL (16,6) zusammen. Als Partner kommen auch Linke (9,2) und FDP (6,5) infrage.

Auch in Harburg haben CDU (26,2 Prozent) und GAL (10,0) ihre Mehrheit verloren. Stattdessen dürfte es für die SPD allein reichen, die mit 48,0 Prozent ihr bestes Bezirksergebnis holt. Mögliche weitere Partner wären die Linke (6,4) und die FDP (4,8), die wie in Mitte und in Bergedorf (3,6) aber nur noch den Status "Gruppe" hat.

In Bergedorf, wo es traditionell keine feste Mehrheit gibt, holte die SPD mit 47,8 Prozent ihr zweitbestes Bezirksergebnis. Mit 28,4 Prozent holte die CDU im Südosten der Stadt noch ihr bestes Bezirksergebnis.

Hochburg der Grünen ist Eimsbüttel, wo sie 18,2 Prozent erreichten. SPD (42,9) und GAL hätten dort eine stabile Mehrheit. Auch im politisch wackeligen Hamburg-Nord hat die SPD (44,5 Prozent) mehrere Optionen für eine komfortable Mehrheit. In Wandsbek können CDU (27 Prozent ) und FDP (7,2) ihr schwarz-gelbes Bündnis nicht fortsetzen. Auch dort heißt es für die SPD (46,5) nun: Partnerwahl.