Karslruhe erklärt Hamburgs Hochschulgesetz in Teilen für verfassungswidrig. Geklagt hat ein Professor für Rechtsphilosophie.

Hamburg. Wenn ein Professor für Rechtsphilosophie für mehr Gerechtigkeit an seiner Universität klagt, ist das an und für sich schon bemerkenswert. Bekommt er dann auch recht, ist das mehr als aufsehenerregend. Das Hamburgische Hochschulgesetz ist laut Bundesverfassungsgericht teilweise verfassungswidrig, weil es den Hochschullehrern zu wenig Mitwirkungs- und Kontrollrechte zugesteht. Ein Urteil, das für alle deutschen Hochschulen richtungsweisend sein könnte.

22 Seiten ist die Urteilsschrift dick, aus Sicht des Klägers ein massiver Erfolg. 27 Jahre war Michael Köhler aus Nienstedten Professor an der Fakultät für Rechtwissenschaften, 2006 hatte er Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er sagt: "Bisher waren die Entscheidungsbefugnisse an den Fakultäten extrem ungleich verteilt, alle Macht lag beim Dekanat. Jetzt muss ein Gleichgewicht hergestellt werden."

Um das Urteil nachvollziehen zu können, hilft ein Blick zurück. 2005 baute der damalige Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger (CDU) das hiesige Hochschulgesetz radikal um. Die Dekanate erhielten im Vergleich zu den aus Hochschullehrern bestehenden Fakultätsräten deutlich mehr Kompetenzen, zum Beispiel bei der Besetzung von Professuren. Das prangerte Köhler an, so wie, zumindest intern, viele seiner Kollegen. Sie feiern jetzt einen Sieg für die Wissenschaftsfreiheit.

Das Bundesverfassungsgericht stimmte Köhlers Klage jetzt in Teilen zu, und zwar mit Verweis auf den bedeutenden Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Freiheit von Forschung und Lehre vorschreibt - und damit auch die Teilhabe der Wissenschaftler an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs "aus Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen" garantiert. Diese Teilhabe ist laut Urteil in Hamburg nicht hinreichend gesichert: Die Paragrafen 90 und 91 des Hochschulgesetzes, die Stellung und Aufgaben von Dekanat und Fakultätsrat regeln, genügen den verfassungsrechtlichen Maßstäben "nicht in vollem Umfang". Damit rügt das Gericht nicht weniger als das Gesamtgefüge der Hochschulverfassung.

Konkret müssen folgende Punkte verbessert werden: Der Fakultätsrat soll mitentscheiden können, wie Lehrstellen innerhalb der Fakultät ausgerichtet und wie frei gewordene Professuren besetzt werden. Auch bei der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel, die den Fakultäten zugewiesen werden, soll er mitreden können. Zudem geht es um die Position der Dekane, der Fakultätsrat soll stärker bei ihrer Wahl sowie bei ihrer Abwahl mitwirken. Bislang konnte er die Abwahl dem Präsidium lediglich vorschlagen. Und auch der mehrheitlich mit hochschulexternen Mitgliedern besetzte Hochschulrat bekommt vom Gericht einen mit: Bislang hatte dieser den Struktur- und Entwicklungsplan der Hochschule allein beschlossen, jetzt sollen die Lehrenden daran mitwirken können.

"Das Bundesverfassungsgericht gibt meiner Einschätzung recht, die ich bereits bei meinem Amtsantritt geäußert habe: Das derzeitige Gesetz hat die Beteiligung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor Ort so sehr eingeschränkt, dass nicht nur ihre Rechte, sondern auch ihre Leistungsmotivation stark beeinträchtigt wurden", sagt Uni-Präsident Dieter Lenzen.

Allerdings ist Lenzen auch ein Grund dafür, dass das Urteil bereits in einen laufenden Prozess hineinstößt. Bereits Ende 2009 startete die Wissenschaftsbehörde eine Evaluation des 2005 geänderten Hochschulgesetzes, quasi eine Reform der Reform, auch weil die damalige Wahl Lenzens durch den Hochschulrat als undemokratisch kritisiert wurde.

Aus der Evaluation ist inzwischen ein Gesetzentwurf geworden, der laut Wissenschaftsbehörde bereits vorsehe, den Fakultätsrat in Bezug auf Mittelverteilung, Mitwirkung an der Struktur- und Entwicklungsplanung sowie mit einem umfassenden Auskunftsrecht gegenüber dem Dekanat zu stärken. Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU): "Die wichtigsten Kritikpunkte des Gerichts werden in unserem Entwurf bereits aufgegriffen."

Allerdings, vor den Neuwahlen wird es der Gesetzentwurf nicht mehr durch die Bürgerschaft schaffen. Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Wolfgang Beuß, fordert daher, den von Schwarz-Grün auf den Weg gebrachten Entwurf nach den Wahlen wieder aufzugreifen.

Für seine Ressortkollegin von der SPD, Dorothee Stapelfeldt, ist das allerdings keine Option. "Der Entwurf ist für uns keine Grundlage, weil er nicht weitreichend genug ist", sagt sie. Stapelfeldt fordert beispielsweise, den Selbstverwaltungsgremien zusätzliche Kompetenzen zuzusprechen und die Hochschulräte zu Beiräten mit beratender Funktion umzugestalten.

Welche Partei das Hochschulgesetz im Sinne der Wissenschaftsfreiheit am Ende ändert, ist Michael Köhler einerlei. Dem Professor, der seit Oktober in Pension ist, sei es schließlich allein um die Qualität von Forschung und Lehre gegangen. "Aus", wie er sagt, "Treue zur Universität und zu Hamburg".