Das Aus für den HSH-Nordbank-Chef und der Streit im schwarz-grünen Bündnis: Wie der GAL-Politiker Jens Kerstan eine Koalitionskrise auslöste und den Fall des Bankchefs Nonnenmacher beschleunigte

Hamburg/Kiel. Einen Moment lang hing das schwarz-grüne Bündnis am seidenen Faden. Als sich die Spitzen von CDU und GAL gestern Mittag im Rathaus zum Krisengespräch trafen, war die Lage äußerst angespannt. Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) sei "stinkwütend", so ein Teilnehmer der Runde, über den Alleingang des GAL-Fraktionsvorsitzenden Jens Kerstan gewesen.

Der Grünen-Politiker hatte am Sonntag gesagt, alles andere als eine Entlassung von HSH-Nordbank-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher würde die GAL morgen "im Senat nicht akzeptieren". Nicht nur in der Union war das als Ultimatum der GAL an die Adresse der angeblich zögerlichen CDU aufgefasst worden.

Ahlhaus griff am Sonntag zum Telefonhörer und bestellte Senatsmitglieder sowie die Partei- und Fraktionsspitzen zum Koalitionsausschuss ein - ein Begriff, den beide Seiten stets vermeiden. Es ist das erste Mal in der zweieinhalbjährigen Geschichte von Schwarz-Grün, dass das oberste Streitschlichtungsorgan des Bündnisses einberufen werden musste. Nicht nur Ahlhaus, auch CDU-Fraktionschef Frank Schira machte bei dem Krisentreffen nach Informationen des Abendblatts deutlich, dass das unabgestimmte Vorgehen seines Amtskollegen von der GAL das Verhältnis der Koalitionäre belaste. Schließlich gab es auch auf grüner Seite Bedenken gegen Kerstans Vorstoß.

Der GAL-Fraktionsvorsitzende trat den geordneten Rückzug an. Es sei wohl ein Fehler gewesen, so Kerstan, mit seinen öffentlichen Äußerungen derart vorzupreschen. Er räumte ein, dass es auch besser gewesen wäre, wenn er Ahlhaus vorab über seinen neuen Kenntnisstand informiert hätte. Denn Kerstan hatte seine Forderung nach einer schnellen Entlassung des Bankchefs erhoben, nachdem er zwei von Nonnenmacher unterschriebene Verträge mit der Sicherheitsfirma Prevent erhalten hatte. Weil die HSH Nordbank dem Senat aber nur Verträge mit Prevent vorgelegt hatte, die gar keine Unterschriften aufweisen, sprach Kerstan von einem "Täuschungsversuch". Prevent wird verdächtigt, Politiker im Auftrag der Bank bespitzelt und einem in Ungnade gefallenen Manager der Bank in den USA kinderpornografisches Material untergeschoben zu haben.

Das Spitzentreffen endete mit einem Friedensschluss. Jetzt gelte wieder das Motto "Wir haben uns alle lieb", hieß es aus der Runde. "Aber Jens Kerstan muss in Zukunft vorsichtig sein mit öffentlichen Äußerungen", lautet der Zusatz mit drohendem Unterton.

In der Sache ist das Ergebnis herausgekommen, das Kerstan wollte: Der Senat wird heute beschließen, dass Nonnenmacher gehen muss. Darauf hatten sich Ahlhaus und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (beide CDU) bereits am Sonntag in einem Telefongespräch grundsätzlich verständigt. Demnach werden Senat und Kabinett nach ihren Sitzungen heute den Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper bitten, eine Abberufung Nonnenmachers in die Wege zu leiten und nach einem Nachfolger Ausschau zu halten. Hamburg und Schleswig-Holstein halten zusammen 85,5 Prozent der HSH-Anteile.

Kiels Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) sagte, dass sich das Kabinett mit der HSH befassen werde. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki bestätigte eine Absprache zwischen Carstensen und Ahlhaus: "Ich weiß, dass es ein solches Gespräch gegeben hat." Klar sei, dass die Kabinette "gleichlautende Beschlüsse" anstrebten.

Kubicki geht davon aus, dass der Aufsichtsrat der Bitte der Regierungen folgt. "Es ist für mich unvorstellbar, dass ein Aufsichtsrat dem Wunsch der Hauptanteilseigner entgegentreten würde." Der FDP-Fraktionschef erwartet, dass Kopper an Bord bleibt. "Ich halte es für nicht sehr wahrscheinlich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende das Handtuch schmeißt." Angeblich soll Kopper bereit sein, den Neuanfang bei der HSH mit zu organisieren.

Ihre Beschlüsse wollen Senat und Kabinett mit dem gestörten Vertrauensverhältnis zu Nonnenmacher begründen und weniger mit angeblichen Pflichtverletzungen. Damit steigt die Chance Nonnenmachers auf eine Abfindung in Millionenhöhe. "Das ist mir relativ egal", sagte Kubicki. "Ich kann sicher sagen, dass die dauernde Beschäftigung von Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfern teurer wird."

Die Opposition fürchtet, dass der Steuerzahler für Nonnenmachers Abgang geradestehen muss. "Es gibt im Kieler Untersuchungsausschuss nichts, was eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde", sagte SPD-Obmann Jürgen Weber. "Das wird eine teure Kiste für Hamburg und Schleswig-Holstein."