122 Teilnehmer von “Jugend im Parlament“ erarbeiten Forderungskatalog an die Politik

Hamburg. Pauschalurteile sind etwas Tolles. Vor allem, weil sie sich so wunderbar widerlegen lassen. Besonders leicht fällt das in dieser Woche bei dem Vorurteil, Jugendliche interessierten sich nicht für Politik. Denn ein Blick ins Rathaus reicht, um alle Defätisten eines Besseren zu belehren. Dort sitzen seit Montag Gegenbeispiele, 122 an der Zahl, eine ganze Bürgerschaft voll. Und obwohl es sich bei "Jugend im Parlament" um ein Politik-Planspiel handelt - nur spielen wollen die Schüler und Azubis ganz sicher nicht.

Selbst die jüngste Teilnehmerin, die 15-jährige Hannah Vierk vom Gymnasium Grootmoor, wusste genau, worüber sie mit den anderen "Abgeordneten" diskutieren wollte: Energiepolitik und Integration. "Ich bin gegen die verlängerten Laufzeiten der Atomkraftwerke", sagt sie. "Und für mehr Förderkurse für Migranten." Für die Stadtbahn ist Hannah auch, in dieser Woche saß sie allerdings im Sozialausschuss, und da ging es um Integrationsstrategien.

Denn, man lerne: Die Abgeordneten diskutieren nicht alle Themen stets zusammen im Plenum - vorher wird alles lang und breit in den einzelnen Ausschüssen ausgebreitet. Und, man lerne außerdem: Das kann ganz schön dauern. "Das sind keine Fünf-Minuten-Entscheidungen, da wird hart diskutiert", sagt Azubi Gerrit Lüttschwager, 18, der diese schmerzhafte Erkenntnis am eigenen Leib erfahren hatte, im Verkehrsausschuss.

Und doch, abschrecken ließ sich von den langen Debatten keiner. "Es hat mich beeindruckt, wie engagiert sich alle eingebracht haben", sagt vielmehr Jennifer Broocks, 21, die für die fünf Tage zur Präsidentin gewählt wurde. So ist am Ende in allen fünf Ausschüssen zu den Themen Soziales, Innenpolitik, Verkehr, Stadtentwicklung und Schule eine beachtliche Liste mit Forderungen entstanden. Mehr Fahrstühle an Bahnhöfen ist eine davon, Erfolgsprovisionen für Kontrolleure im HVV, eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großeinsätzen oder mehr verpflichtende Deutschkurse für Migranten.

Doch was treibt die Jugendlichen in Zeiten der Politikverdrossenheit ins Rathaus? Schließlich geht dafür nicht nur Schul-, sondern auch Freizeit drauf. "Was die Politik entscheidet, bestimmt unser Leben", sagt Stiena Jepsen, 16, vom Goethe-Gymnasium. "Wenn wir nur auf der Couch sitzen, passiert nichts." So einfach ist das.

Außerdem würden dann so viele Ideen gar nicht gehört werden. Zum Beispiel die von Lorenzo-Emanuele Tomasello, 16, vom Othmarscher Kirchenweg, die Lebensmittelsteuer zu senken und stattdessen die Alkohol- und Tabaksteuer zu erhöhen. "Leider habe ich das noch nicht durchbekommen", sagt er. Aus allen Forderungen basteln die Jugendlichen auf ihrer heutigen Bürgerschaftssitzung übrigens eine Resolution, die sie dann Bürgerschaftspräsident Lutz Mohaupt übergeben. "Und wir werden verfolgen, was die 'echten' Abgeordneten daraus machen", sagt Jennifer. Schließlich ist das Ganze kein Spiel. Das Tolle daran ist aber, Spaß macht es den Jugendlichen trotzdem.