Hamburgs Umweltsenatorin Anja Hajduk will den Anteil der Radler am Gesamtverkehr in der Hansestadt auf 18 Prozent verdoppeln.

Hamburg. Eines ist klar, mit Radfahren allein wird niemand das Weltklima retten. Je mehr Menschen aber auf das Fahrrad umsteigen, desto besser für die Umwelt und das Stadtklima. Auch deshalb will Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) den Anteil der Radler am Gesamtverkehr in der Hansestadt auf 18 Prozent verdoppeln. So weit der politische Wunsch. Simon Wörpel hat es tagtäglich mit der asphaltierten Realität zu tun. Der 21-jährige Student fährt mit seinem Hollandrad von Langenfelde bis zum Gänsemarkt. Jeden Tag. Er vergleicht es mit einem "Hindernisrennen".

Trotzdem, die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) bemüht sich. Das erkennen auch Experten an. Mit der grünen Senatorin Hajduk zog 2008 auch eine veränderte Verkehrsstrategie in die BSU ein. Bis dahin wurden die Zweiräder und die dafür notwendige Infrastruktur in Hamburg für lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt. Was zählte, war, dass der Verkehr rollt - und damit war der Autoverkehr gemeint.

Wohl sichtbarstes Erfolgsprojekt der neuen Strategie ist das Leihfahrradsystem StadtRad. Seit ihrem Start im Juli 2009 haben sich die roten Mieträder zu einem der erfolgreichsten und beliebtesten Leihsysteme in ganz Deutschland entwickelt. StadtRad hat derzeit 53 000 registrierte Kunden. An 71 Stationen stehen rund 1000 Räder zur Verfügung. 2011 sollen weitere Stationen und Räder hinzukommen. Auch Wohngebiete sollen dann in das Verkehrssystem eingebunden werden. Trotz dieses Erfolges spricht Dirk Lau vom Fahrradklub ADFC in Hamburg noch immer von einer "fahrradfeindlichen" Stadt. "Die Situation für Radfahrer in Hamburg ist noch immer stark verbesserungswürdig", sagt Lau. Was ihm neben einer ausgebauten Infrastruktur fehlt, ist zum Beispiel eine Imagekampagne, die zum Wechsel aufs Rad animiert. "Das gibt es in anderen Städten längst", so Lau. Es bedürfe großer Anstrengungen, um die Menschen zum Umstieg zu bewegen.

Noch wichtiger als Imagekampagnen wären Student Simon Wörpel intakte Radwege. "Viele sind von Baumwurzeln zerstört, an anderer Stelle ist nur gefährliches Kopfsteinpflaster", sagt Wörpel. Kein Vergnügen - auch nicht für sein Fahrrad. Und dort, wo es neue Radwege gibt, wie an der Messe oder am Jungfernstieg, seien sie so schlecht zu sehen, dass sie von den meisten Fußgängern als Bürgersteig okkupiert würden. Am liebsten würde Wörpel auf die Straße ausweichen. Aber entlang seiner Strecke gibt es noch keine sogenannten Rad- oder auch Schutzstreifen auf der Fahrbahn.

Auf diese neue Form der Radwege setzt die BSU nun vorrangig. Das Motto lautet: Weg von den baulichen Radwegen hin zu Radstreifen, wie es sie schon jetzt am Hammer Steindamm gibt.

Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem Ausbau der Velorouten. Diese sollen einen schnellen Weg in die City auch für Bewohner an der Peripherie ermöglichen. Geplante Fertigstellung des gesamten Wegenetzes ist 2015. Das nennt selbst die Behörde ein "ambitioniertes Ziel". Es könne aber erreicht werden, "wenn die erforderlichen Mittel" zur Verfügung gestellt würden. Im vergangenen und laufenden Jahr stellte die Stadt rund 25 Millionen Euro für den Radverkehr zur Verfügung.

Dass der Wechsel auf das Fahrrad sowohl für die Umwelt, als auch für die Lebensqualität einer Metropole wie Hamburg gut ist, und dass in der Vergangenheit einiges versäumt worden ist, bestreitet mittlerweile keine Partei mehr. Dennoch machen sich vor allem CDU und FDP Sorgen um die Autofahrer. Ein Industriestandort wie Hamburg dürfe den Kraftverkehr nicht verteufeln. "Unsere Verkehrspolitik ist von dem Ziel geleitet, die für die Stadt notwendige Infrastruktur zu schaffen und dabei umweltpolitisch vernünftig zu handeln", formuliert Behördensprecherin Helma Krstanoski. Eine Idee ist ein Auto-Mietsystem - denn der Autoverkehr soll natürlich nicht völlig aus der Stadt verdrängt werden. Von Ausnahmen wie der Goernestraße vor dem Holthusenbad abgesehen, wo ein Fußgängerbereich entstehen wird.

Stattdessen setzt Hamburg zunächst auf Entschleunigung: 41 neue Tempo-30-Zonen sollen kommen. Konzentrieren will sich die Stadt zudem auf den Bereich Elektromobilität. Schließlich hat die Bundesregierung Hamburg als eine Modellregion auserkoren.

Andere Projekte scheitern zurzeit am Geld. Wegen der Sparzwänge ist der Ausbau der Kreisverkehre zurückgestellt worden. Auch Projekte wie die Gemeinschaftsstraßen (Original "shared space"), bei dem sich Verkehrsteilnehmer den Straßenraum gleichberechtigt teilen, sind verschoben worden. War ursprünglich von einer Gemeinschaftsstraße pro Bezirk die Rede, soll in dieser Legislaturperiode nur noch eine einzige in Hamburg umgesetzt werden. Welche Straße zum Pilotprojekt wird, ist noch nicht klar.