Wilhelmsburg. Hamburgs neuer Innensenator Heino Vahldieck will mit einem Fünf-Punkte-Plan gegen die dramatisch steigenden Zahlen bei Widerstand und Gewalt gegen Polizeibeamte vorgehen. Dazu, so sagte Vahldieck am Mittwoch auf der Tagung "Die Polizei als Freiwild der aggressiven Spaßgesellschaft" der Hochschule der Polizei, gehöre auch eine Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionsnormen bei Übergriffen auf Polizisten und Rettungskräfte. "Hier ist eine Reform überfällig", so Vahldieck in seiner ersten programmatischen Rede seit Amtsantritt.

Die weiteren Ziele des Innensenators: eine konsequente Vertiefung der Lage-Erkenntnisse samt Erstellung eines Bundes-Lagebildes, eine weiter verbesserte Ausstattung der Polizeibeamten und ein ständiges Hinterfragen der Einsatzkonzeptionen, konsequentes Vorgehen gegen Gewalttäter im Umfeld von Fußballspielen. Und: "Wir müssen einen Konsens darüber erreichen, dass Gewalt gegen Polizeibeamte geächtet ist. Wir brauchen einen Schulterschluss für die, die mit Leib und Leben für unsere Sicherheit eintreten."

Wie nötig dies ist, zeigen Schilderungen vom Leiter der Hamburger Bereitschaftspolizei, Hartmut Dudde. Für die 750 Hamburger Bereitschaftspolizisten, so Dudde, seien Beleidigungen und tätliche Angriffe auch abseits von Schanzenfest und Fußball-Randale leider inzwischen auf der Tagesordnung. Dudde: "Allein am vergangenen Wochenende sind bei verschiedenen Einsätzen 20 Beamte angegriffen worden." Selbst beim Schlagermove sei ein Beamter, der einen jungen Mann festnahm, von einem Unbeteiligten mit voller Wucht ins Gesicht getreten worden. Derartige Vorfälle aus nichtigem Anlass seien immer häufiger zu verzeichnen.

Erste Ergebnisse der Studie "Gewalt gegen Polizeibeamte" des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen untermauern die Erfahrungsberichte. Die Psychologin Karoline Ellrich: "Erste Auswertungen der Studie, an der mehr als 20 000 Beamte teilgenommen haben, belegen, dass jeder Vierte Gewalterfahrungen im Dienst gemacht hat. Jeder zehnte Teilnehmer ist bereits mit einer Waffe angegriffen worden." Die komplette Studie - an der sich Hamburg nicht beteiligt hatte - wird 2011 vorliegen.

Polizeibeamte müssten sich im Klaren sein, so sagt der Sozialwissenschaftler Prof. Rainer Kilb, dass sie in den Augen von jungen Randalierern, wie sie auf den Schanzenfesten anzutreffen seien, als Teil eines Spiels gesehen würden. Kilb: "Das Spiel heißt 'Grenzen überschreiten'." Wer in der Gewalt seine Anerkennung suche, so Kilb, leide oft unter einem extremen Auseinanderdriften von realem und idealem Ich: "Es sind manchmal Loser, die sich als unbesiegbare Helden fühlen."