Hamburger Bildungspolitiker wehren sich gegen die Einmischung von Unions-Ministern

Dass sich Minister in die Angelegenheiten anderer Bundesländer einmischen, ist eher selten im sorgsam gepflegten System des deutschen Föderalismus. Noch ungewöhnlicher ist es, wenn die Kritik sich an einen Politiker aus den eigenen Reihen richtet. Genau das aber haben jetzt mehrere Unions-Kultusminister gemacht: Wenige Tage vor dem Volksentscheid über die Primarschule in Hamburg forderten sie in der "Welt am Sonntag", mit den ständigen Schulreformen Schluss zu machen. Der Fingerzeig kommt in der Hauptsache aus den Südländern der Republik und richtet sich auch an Bürgermeister Ole von Beust (CDU), Chef der ersten schwarz-grünen Länderregierung und großer Verfechter der geplanten Schulreform seiner Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL).

"Wir dürfen nicht die Einheitsschule vorbereiten, sondern müssen die individuelle Förderung der Kinder verbessern, das leistet das differenzierte, mehrgliedrige Schulsystem", sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle (CSU), dagegen in der "Welt am Sonntag". Bayern ist eins der Bundesländer, das besonders auf seine Hoheit in Sachen Schule pocht. "Es ist schon sehr überraschend, dass gerade diese Länder jetzt Kritik anmelden", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg dem Abendblatt. Äußerst problematisch sei das, auch weil dort andere Bildungsvoraussetzungen gelten. "Statt die Wege anderer Länder zu unterlaufen", so der Bildungsexperte, wäre es sinnvoller, in der Kultusministerkonferenz Akzente für einheitliche Bildungsziele zu setzen."

Zum Reigen der Reformkritiker zählt auch Niedersachsens neuer Kultusminister Bernd Althusmann (CDU): "Ziel muss es sein, Unterrichtsstrukturen und die Qualität von Unterricht zu verbessern. Statt ständiger Bildungsreformen braucht Schule Kontinuität." Auch sein Land setzt auf das dreigliedrige Schulsystem. Ähnlich wie Baden-Württemberg. Dessen Kultusministerin Marion Schick (CDU) betont: "Es gibt kein überzeugendes Modell für ein Gymnasium mit weniger als acht Jahren." Das kann Hamburger Bildungssenatorin Goetsch nicht unwidersprochen lassen. Die sechsjährige Grundschulzeit solle verhindern, dass in den Gymnasien "Herkunftseliten statt Bildungseliten" ausgebildet würden. "In den sechs Jahren Primarschule bekommen auch Kinder, deren Eltern nicht so gut in Schule helfen können, eine bessere Chance auf eine Gymnasialempfehlung", sagte sie dem Abendblatt. Und erhält Rückenwind auch von der Opposition. "Grundsätzlich sind in der Schulpolitik Veränderungen notwendig, das gilt vor allem für die Gruppe der Risikoschüler", gab der schulpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschafsfraktion Ties Rabe auf Anfrage zu Protokoll. Allerdings würde er sich wünschen, "dass die Reformen besser untereinander abgestimmt werden".

Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU), der den Stopp der Hamburger Reform gefordert hatte, übte auch Kritik an der CDU, die in mehreren Bundesländern nach Landtagswahlen leichtfertig das Bildungsressort an den kleineren Partner abgetreten habe: "Es geht nicht, nur die Bildungsrepublik auszurufen und dann nichts zu liefern. Meine Partei muss zu ihrer Verantwortung stehen." Ganz ähnlich sieht das CDU-Parlamentarier Weinberg, kommt aber zu einem anderen Schluss: "Es gibt offenbar eine große Angst, dass durch die Veränderungen konservative Positionen und konservatives Wählerpotential verloren geht."