Die SPD stimmt für den Rückkauf der Netze, die Opposition verhindert aber eine notwendige zweite Lesung - sie findet nun am 9. Mai statt.

Hamburg. Verhindern kann die Opposition die 25,1-prozentige städtische Beteiligung an Hamburgs Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme nicht. Das wissen die Parlamentarier. Schließlich regiert die SPD mit absoluter Mehrheit. Aber ein letztes Mal verzögern, das ging gestern schon. Und das taten die Abgeordneten von CDU, GAL, FDP und Linken dann auch. Gemeinsam widersprach die Opposition der sogenannten zweiten Lesung des Senatsantrags und verhinderte so - zumindest für den gestrigen Tag -, dass der von der SPD ausgehandelte Deal mit den Energieversorgern Vattenfall und E.on vom Parlament verabschiedet werden konnte. Nun wird die SPD die Beteiligung in der kommenden Sitzung am 9./10. Mai endgültig beschließen.

Gegen den Willen der gesamten Opposition setzte die SPD in namentlicher Abstimmung das von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ausgehandelte, 543,5 Millionen Euro teure Geschäft mit 62 Ja- zu 55 Neinstimmen durch.

Zuvor lieferten sich die Abgeordneten noch einmal rund eine Stunde lang eine hitzige Debatte über den Teilrückkauf der Versorgungsnetze. CDU und FDP lehnen die Beteiligung der Stadt grundsätzlich ab. "543,5 Millionen neue Schulden und 16 Millionen Euro Zinsen pro Jahr für Rohre und Kabel, die bereits existieren und gut funktionieren - das macht keinen Sinn", sagte Roland Heintze, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Die Teilverstaatlichung der Netze führe deshalb zu keinem zusätzlichen Nutzen. Sie widerspreche außerdem den Anforderungen der Landeshaushaltsordnung. "Der Rückkauf der Netze ist falsch. Der Senat gibt Geld aus, das er nicht hat, für Netze, die er nicht braucht", so Heintze. Die FDP scheiterte gestern mit einem Antrag, die Beschlussfassung der Bürgerschaft so lange auszusetzen, bis eine Stellungnahme des Landesrechnungshofs zur Beteiligung der Stadt vorliegt.

+++ Netz-Verträge laut Experten schlecht verhandelt +++

GAL und Linke sind für einen vollständigen Rückkauf und stützen damit das Ziel der Volksinitiative "Unser Hamburg - Unser Netz". Die will die Bürger bei einem Volksentscheid am Tag der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2013 über einen hundertprozentigen Rückkauf entscheiden lassen. Sollte sich die Mehrheit der Hamburger für den kompletten Netzrückkauf entscheiden, wäre der Vertrag zwischen Stadt und den Energiekonzernen hinfällig.

Das dürfte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan ohnehin am liebsten sein. Er erklärt in der Bürgerschaftsdebatte: "Der Netze-Deal des Senats ist schlecht verhandelt, das Ergebnis ist eine energiepolitische Nullnummer, das Beratungsverfahren war eine Zumutung für Parlament und Öffentlichkeit."

Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Linken, warf der SPD vor, die Minderheitenbeteiligung als Energiewende zu verkaufen. Davon könne jedoch überhaupt keine Rede sein, so Heyenn.

"Die Politik des Senats zementiert im Gegenteil die Vormachtstellung der Atomkonzerne in Hamburg. Die geplante Minderheitsbeteiligung verschafft der Stadt so gut wie keine Einflussnahme auf die Geschäftspolitik." Diese aber sei dringend nötig, um den Atomausstieg und eine soziale Energiepolitik gegen die Monopolkonzerne durchzusetzen.

Ungeachtet der Angriffe aus der Opposition verteidigten sowohl Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) und SPD-Fraktionschef Andreas Dressel die ausgehandelte Beteiligung an den Netzen. Dressel: "Wer meint, ein Kleinkrieg mit den Versorgungsunternehmen sei der bessere Weg für die Energiewende, der irrt, der schadet der Stadt, dem Standort und den vielen Arbeitsplätzen." Mit der Pflege von Feindbildern schaffe man keine Energiewende, so Dressel. Blankau betonte: "Die Verträge sind der richtige Weg, denn sie sind gut durchgerechnet und bringen die Energiewende in Deutschland schnell und substanziell voran." Gegen die großen Energiekonzerne zu arbeiten führe dagegen zu Stillstand und Streit. Durch die Verträge habe die Stadt aber eine starke Stellung, "und das Risiko ist gering", denn es gebe auf jeden Fall eine Dividende. Auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen sei der Deal gut, betonte Blankau, schließlich seien Investitionen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro geplant. Gleichzeitig warnte die Senatorin wegen "unkalkulierbarer finanzieller und rechtlicher Risiken" vor einer 100-prozentigen Übernahme der Netze.

Das Bündnis "Unser Hamburg - Unser Netz" hält die Verträge des Senats dagegen für ungeeignet, um die Energiewende in Hamburg herbeizuführen, und will am geplanten Volksentscheid 2013 festhalten. Anders der Industrieverband Hamburg, der in dem Verhandlungsergebnis des Senats "einen guten Kompromiss" sieht.