Opposition kritisiert Umsetzung des Bildungspakets für Hartz-IV-Empfänger. Schlechte Nutzung. Sozialsenator räumt Schwächen ein.

Hamburg. Es sollte alles ganz einfach sein: Kinder aus Familien mit geringem Einkommen melden sich ohne jeden bürokratischen Aufwand in einem Sportverein an und können dort zum Beispiel kostenlos Fußball spielen. "Wer Turnschuhe dabeihat, kann dann gleich beim Training mitmachen", sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Das war vor einem Jahr, als Scheele und Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Hamburger Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes der schwarz-gelben Bundesregierung vorstellten.

Zwölf Monate später ist Ernüchterung eingekehrt. Nur 7472 der 43.205 Kinder und Jugendlichen aus Hartz-IV-Familien nutzen das Angebot, das neben sportlichen auch musikalische Aktivitäten einschließt - gerade einmal 17,3 Prozent. "Das ist ein enttäuschendes Ergebnis", räumte Scheele gestern ein und sah dabei recht ratlos aus, was die Ursachen angeht.

Es schien den Senator zu trösten, dass es in anderen Städten nicht besser ist. Der Deutsche Städtetag kommt nach einer Umfrage unter 50 Kommunen auf eine durchschnittliche Auslastung von nur 16 Prozent. "Und da werden nur Anträge gezählt, bei uns sind es tatsächlich erbrachte Leistungen", sagte Scheele. Außerdem ist die Tendenz in Hamburg steigend. Allein in diesem Jahr kamen rund 2000 Kinder dazu.

Scheele will die Überzeugungsarbeit intensivieren, damit mehr Mädchen und Jungen die Angebote von 220 Sportvereinen, Kulturzentren und Einrichtungen wie der Jugendmusikschule nutzen. Künftig sollen die Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel bei den regelmäßigen Gesprächen in den Jobcentern auf die "soziokulturelle Teilhabe" hingewiesen werden, wie das Angebot im Behördenjargon heißt. Der Bund zahlt pro Kind zehn Euro im Monat.

Ein Jahr nach dem Start des Bildungs- und Teilhabepakets gibt es auch positive Entwicklungen: 93 Prozent der infrage kommenden Kinder und Jugendlichen haben den Zuschuss in Höhe von 100 Euro für Schulbedarf wie Ranzen, Stifte und Hefte erhalten. Das ist die höchste Auslastungsquote des Programms. Mehr als ein Drittel - 16 572 - aller Schüler aus Familien mit geringem Einkommen haben 2012 am kostenlosen Mittagessen in der Schule teilgenommen. Die Schulbehörde will Chipkarten einführen, mit denen in der Schulkantine abgerechnet wird, sodass nicht mehr erkennbar ist, wer selbst zahlt und wer die staatliche Unterstützung erhält.

+++ Studie sieht 50.000 arme Kinder in Hamburg +++

Ein zentraler Bestandteil des Pakets ist die Lernförderung. Das Angebot kostenloser Nachhilfe gilt allerdings in Hamburg seit Beginn des Schuljahres für alle Schüler, deren Versetzung bedroht ist. Rund zehn Prozent der 156.402 Schüler an allgemeinbildenden Schulen versuchen nachmittags ihre Lerndefizite abzubauen. Bei den Kindern aus Familien mit geringen Einkommen, die aus dem Bildungspaket gefördert werden, ist die Quote mit elf Prozent etwas höher. Der weitaus größte Teil der Nachhilfe - von August 2011 bis Februar 2012 waren es 381 154 Stunden - wird von Oberstufenschülern, Studierenden und pensionierten Lehrern gegeben. Etwa ein Viertel des Zusatzunterrichts wird von aktiven Lehrern erteilt. Die durchschnittliche Gruppengröße liegt bei vier Kindern. "Das funktioniert gut", sagte Rabe.

Über das Bundespaket hat Rabe auch die Einstellung von 108 Sozialpädagogen und Erziehern finanziert, die überwiegend zur Unterstützung der Inklusion an allgemeinbildenden Schulen eingesetzt werden. Außerdem erhalten Schüler mit weitem Schulweg eine kostenlose Schülerfahrkarte, wenn ihre Eltern ein geringes Einkommen haben. Das gleiche gilt für Zuschüsse zu Klassenreisen und Ausflügen. In beiden Bereichen sind die Teilnahmequoten bislang eher gering. Rabe wertet das Programm dennoch insgesamt als Erfolg.

"Eine positive Bilanz sieht anders aus", sagte CDU-Sozialpolitikerin Katharina Wolff. "Es ist unklar, wie der Senat mehr Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien für Angebote in den Bereichen Kultur, Sport und Freizeit begeistern will." Auch FDP-Sozialpolitikerin Martina Kaesbach hält eine Teilnahmequote von nicht einmal einem Fünftel für zu wenig.

Katharina Fegebank (GAL) wirft dem Senat vor, "Hamburgs Leistung schönzureden". Sie kritisiert auch, dass Hamburg die nicht ausgeschöpften Bundesmittel einfach in den Haushalt fließen lässt. Von 45,2 Millionen Euro sind nur rund 30 Millionen Euro ausgegeben worden. Allerdings dürfen alle Länder noch solche "Reste" behalten.