Kirsten Fehrs ist am Sonntag in Berlin dabei, wenn die Bundesversammlung einen neuen Präsidenten kürt

Hamburg/Berlin. Mit Wahlen kennt sich die Bischöfin aus. Schließlich ist Kirsten Fehrs vor etwas weniger als einem Jahr nach einem regelrechten Wahlkrimi erst im vierten Wahlgang zur neuen Bischöfin des Sprengels Hamburg und Lübeck gewählt worden. Trotzdem ist ihre Aufgabe als Wahlfrau für die Bundespräsidentenwahl am Sonntag etwas ganz Neues für sie. "Ich bin ehrlich gesagt gespannt. Es interessiert mich schon, was sich in einer Bundesversammlung ereignet. Das macht man ja nun auch wirklich selten", sagte Fehrs im Gespräch mit dem Abendblatt.

Dass sie überhaupt an der Wahl teilnimmt, hat sie der Hamburger SPD zu verdanken. "Zunächst war ich überrascht, dass die SPD-Fraktion mich fragte", sagte Fehrs. "Ich habe mir dann aber aus zwei Gründen überlegt, es zu tun. Es ist ja eine ausgesprochen besondere Wahl, weil die große Mehrheit der Parteien sich auf Joachim Gauck als Kandidaten einigen konnte." Wäre dies nicht so gewesen, hätte sie nach eigenen Angaben nicht zur Verfügung gestanden. "Als Bischöfin will ich überparteilich bleiben. Ich finde, dass dies zu meinem Amt auf jeden Fall dazu gehört", sagte Fehrs.

Das andere Argument, das die Bischöfin bewegt hat, der Bitte der SPD zu entsprechen, war, dass neben ihr die Islamprofessorin Katajun Amirpur als weitere überparteiliche Wahlfrau nominiert wurde. "Diese Zusammenfügung von uns als Personen ist ein interreligiöses Signal, das ich dann auch wirklich gerne aktiv aus Hamburg senden möchte", so Fehrs.

Die Bischöfin hält Joachim Gauck für einen "honorigen, allseits anerkannten" Bürger, der sich durch eine "sehr charismatische Persönlichkeit" auszeichne, mit "Positionen, die eigen sind und die ihn deshalb auch in einer besonderen Form unabhängig" machen. "Ich glaube, dass das für unsere Gesellschaft im Moment wichtig ist: glaubwürdige Personen, die unabhängig von Verbindungen auch Positionen beziehen können", betonte Fehrs. Entscheidend sei, dass dies mit einer "Dialogfähigkeit" verbunden ist. Eine Begabung, die Fehrs bei Joachim Gauck sieht.

Die Kritik am Lebenswandel des Präsidentenkandidaten, der noch verheiratet mit einer anderen Frau zusammenlebt, kann Fehrs nicht verstehen. "Die Würde eines Amtes besteht ja nicht darin, dass wir eine perfekte Person wählen, die nicht auch biografische Brüche hätte. Die Würde des Amtes besteht darin, dass ein Mensch Verantwortung für das übernehmen kann, was er getan und gedacht hat und was er sagen und tun wird. Davon gehe ich bei Pastoren wie auch Herrn Gauck aus."

Neben Bischöfin Fehrs werden in Berlin noch zahlreiche weitere prominente Wahlmänner und -frauen erwartet. Sachsen schickt den Schauspieler und "Tatort"-Gerichtsmediziner Jan Josef Liefers zur Abstimmung. Aus Nordrhein-Westfalen kommen der Regisseur Sönke Wortmann, der Comedian Ingo Appelt und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer. Auch Senta Berger, Frank Elstner, Gaby Hauptmann und Friede Springer sind bei der Wahl dabei.

Für Hamburg wählen den Bundespräsidenten neben Fehrs und Amirpur: Carola Veit, Olaf Scholz, Andreas Dressel, Dorothee Stapelfeldt und Inka Damerau, Johannes Kahrs, Ingo Egloff, Aydan Özoguz und Hans-Ulrich Klose für die SPD; Dirk Fischer, Jürgen Klimke, Rüdiger Kruse, Marcus Weinberg, Dietrich Wersich, André Trepoll und Katharina Wolff für die CDU; Katja Suding, Burkhard Müller-Sönksen und Sylvia Canel für die FDP; Jens Kerstan und Katharina Fegebank, Krista Sager und Manuel Sarrazin für die GAL; Jan van Aken und Inge Asimiadis für die Linke.

Verfolgen Sie die Wahl am Sonntag live auf www.abendblatt.de/bundespraesident