Regierungserklärung des Bürgermeisters: CDU, GAL und FDP üben in der Bürgerschaft scharfe Kritik am Kauf weiterer Anteile der Reederei

Hamburg. Nach zweieinhalb Stunden intensiver Debatte stand immerhin eines fest: Die Hoffnung des SPD-Senats, für den Kauf weiterer Anteile an der Reederei Hapag-Lloyd die Unterstützung der gesamten Bürgerschaft zu erhalten, wird sich nicht erfüllen. FDP und GAL stellten gestern anlässlich der Regierungserklärung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) unmissverständlich klar, dass sie nicht bereit sind, die Investition von 420 Millionen Euro abzusegnen, um den städtischen Anteil an dem Traditionsunternehmen von 23,6 auf 36,9 Prozent zu steigern. Auch die CDU-Fraktion übte schwere Kritik an Scholz, hielt sich aber die Hintertür für eine Zustimmung in der Bürgerschaft offen.

Als zentrales Argument gegen das Vorgehen des Senats führte die Opposition die fehlende Bedrohung an. "Die Gefahr einer Abwanderung oder Zerschlagung Hapag-Lloyds besteht nicht", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Im Unterschied zu 2008, als die damals schwarz-grün regierte Stadt erstmals bei der Reederei eingestiegen war, weil ein ausländischer Investor sie komplett übernehmen wollte, betreibe der SPD-Senat "billige Symbolpolitik". CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich fasste es so zusammen: "Eine Lösung ohne Problem ist keine Lösung."

Zweitens konnten CDU, GAL, FDP und auch die Linkspartei, die das Geschäft grundsätzlich unterstützt, den Kaufpreis von 420 Millionen Euro nicht nachvollziehen. "Uns stellt sich die Frage: Was ist Hapag-Lloyd überhaupt wert?", sagte Wersich. Er warf dem Senat vor, sich von dem Verkäufer der Anteile, dem Touristikriesen TUI, unter Druck setzen zu lassen, statt in Ruhe ein neutrales Wertgutachten erstellen zu lassen. "Rettet Hamburg eigentlich Hapag oder die Bilanz der TUI?", so Wersichs provokante Frage an Scholz.

Drittens kritisierten alle vier Oppositionsfraktionen, dass der Bürgerschaft nur bis Ende März Zeit für ihre Zustimmung gegeben wird - auf diese Frist hatte die TUI gepocht, andernfalls kann sie von dem Verkauf zurücktreten. "Solche Verträge müssen in Ruhe verstanden, hinterfragt und dann entschieden werden", sagte Norbert Hackbusch (Linke) und erinnerte an ein anderes Problem: "Die Lehre aus dem Elbphilharmonie-Desaster ist doch, dass diese Angelegenheit damals zu wenig kritisch geprüft wurde."

Scholz war in seiner 20-minütigen Regierungserklärung - der dritten seiner Amtszeit - bemüht, CDU und GAL zu überzeugen, indem er sie an ihr eigenes Handeln erinnerte. "Hamburg ist bereits mit 735 Millionen Euro engagiert", rechnete er vor. 2008 habe der schwarz-grüne Senat "in diesem Punkt richtig" gehandelt, als er zusammen mit privaten Unternehmen das Konsortium Albert Ballin gegründet hatte, um bei Hapag-Lloyd einzusteigen und die Reederei vor einer feindlichen Übernahme zu schützen. "Der jetzige Senat muss das Engagement des Vorgängersenats fortsetzen, um es nicht im Nachhinein zu konterkarieren und sinnlos zu machen", sagte Scholz, beließ es aber bei Andeutungen, wer derzeit Interesse an Hapag-Lloyd haben könnte.

Er habe jedenfalls "die realistische Sorge, dass das Unternehmen unter den mehrheitlichen Einfluss eines strategischen Wettbewerbers geraten könnte", dass Hamburg als zentraler deutscher Reedereistandort geschwächt, der Geschäftssitz und das logistische Know-how von Hapag-Lloyd verlagert und große Teile des Containerumschlags der Reederei nicht mehr über Hamburg abgewickelt werden könnte. Scholz: "Direkt und indirekt geht es - so hat es schon der damalige Senat gesehen - um nicht weniger als 20 000 Arbeitsplätze." Daher dürfe Hapag-Lloyd nicht "Opfer eines globalen Monopoly werden".

Das griff CDU-Fraktionschef Wersich auf: "Sie wollen Monopoly verhindern? Die Wahrheit ist: Sie spielen mit, und zwar mit dem Geld der Steuerzahler. Und uns wollen Sie gleich mit verhaften." Wenn der Senat die Unterstützung der CDU wolle, müsse er sich bewegen. "Sonst bleiben Sie allein." CDU-Haushaltsexperte Roland Heinze präzisierte die Bedingungen, unter denen seine Partei zustimmen würde: Die Beratungsfrist für die Bürgerschaft müsse bis April/Mai verlängert werden und eine nachvollziehbare Risikoabwägung sowie eine Beteiligungsstrategie vorgelegt werden. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel kritisierte das als "Wackelkurs". Seit die CDU in der Opposition sei, sei auf ihren Rückhalt für Hapag-Lloyd kein Verlass mehr.

FDP-Fraktionschefin Katja Suding lehnte das Engagement der Stadt bei der Reederei hingegen rigoros ab. Sie beobachte "bedrohliche Tendenzen zur Staatswirtschaft" und "Züge von Planwirtschaft". Außerdem sei fraglich, ob Hapag-Lloyd mit dem Vorgehen des Senats überhaupt geholfen sei. Das Interesse der Stadt sei vor allem die Standortsicherung, das müsse aber nicht im Interesse des Unternehmens sein.

Am Ende griff auch Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) in die Debatte ein und erklärte der CDU, dass es aus Sicht des Senats sehr wohl ein Problem und Zeitdruck gebe - nämlich das der TUI vertraglich zugesicherte Recht, ab Oktober 2012 die Mehrheit an Hapag-Lloyd verkaufen zu dürfen, obwohl der Reisekonzern diese Mehrheit gar nicht besitzt. "Das Problem", sagte Tschentscher in Richtung von Ex-Senator Wersich, "sind die Verträge, die Sie damals abgeschlossen haben."