Jahr für Jahr wurden zig Millionen Mark in die Förderung von Arbeitslosen gepumpt. Sozialsenator Detlef Scheele plant harte Einschnitte.

Hamburg. Es war Anfang der 90er-Jahre. Der spätere Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) war noch Sozialsenator und hatte ein Personalproblem. Für den größten Beschäftigungsträger der Stadt, die Hamburger Arbeit (HAB) , wurde ein Geschäftsführer gesucht. Runde soll das Problem so gelöst haben, wie es seinerzeit in der Behörde üblich war: Er telefonierte mit Uwe Riez, seinem Parteifreund aus der SPD Hamburg-Nord, und bot ihm den Posten an.

Bekannt wurde die Geschichte gut zehn Jahre später im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss "Filz". Die CDU kam seinerzeit zu dem Ergebnis, dass es ein Beziehungsgeflecht zwischen Sozialbehörde, der HAB und der SPD Nord gebe. Die damalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Blumenthal sagte: "Deutlicher geht Filz wohl nicht."

Die HAB war ein Schwergewicht auf Hamburgs zweitem Arbeitsmarkt. Jahr für Jahr wurden zig Millionen Mark in die Förderung von Arbeitslosen gepumpt - und die HAB erhielt davon stets das größte Stück. Es verwunderte niemanden, dass Union, FDP und die Schill-Partei im Wahlkampf 2001 ankündigten, sie würden im Falle eines Regierungswechsels die "rote Behörde" und die HAB "schleifen". Tatsächlich jedoch blieb die HAB auch in zehn Jahren CDU-Regierung in ihrem Kern unangetastet und konnte unter Geschäftsführer Detlef Scheele (1995-2008) ihre Macht ausbauen.

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Es wirkt wie Ironie der Geschichte, dass jetzt ausgerechnet die von ebenjenem Sozialdemokraten Scheele geführte Sozialbehörde "harte Einschnitte" bei der HAB ankündigte. Das Unternehmen mit seinen 190 Mitarbeitern habe "erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten" und solle "auf einen Kernbereich reduziert werden", hieß es. Außer dem Programm "40 flankierende SozialbetreuerInnen" und der Schuldnerberatung sollen alle anderen Projekte auf private Beschäftigungsträger übertragen werden. Diese sollen auch die HAB-Beschäftigten übernehmen.

Wert legt die Sozialbehörde auf die Feststellung, dass die HAB zu Scheeles Zeiten schwarze Zahlen geschrieben hat. Erst ab 2009 (minus 96 000 Euro) rutschte die Firma in die roten Zahlen. 2010 liefen 2,9 Millionen Euro Verlust auf, 2011 waren es nach vorläufigen Zahlen knapp 2,4 Millionen Euro. Ein Gremium beriet daraufhin wochenlang die Neuausrichtung der HAB. Ihr Chef, Sozialstaatsrat Jan Pörksen (SPD), sprach jetzt nüchtern von einem "schmerzhaften" Schritt.

Bei der HAB-Konkurrenz, den freien Trägern, stieß die Behördenentscheidung auf Besorgnis. Beschäftigungs- und Qualifizierungseinrichtungen, die sich in dem Verband bag zusammengetan haben, sehen in dem "Sanierungskonzept der Sozialbehörde eher ein Abwicklungskonzept für die HAB". Die Träger beklagen vor allem eine unzureichende finanzielle Ausstattung. "Anhand der Situation der HAB wird mehr als deutlich, dass bei der zunehmenden Verschlechterung der finanziellen Rahmenbedingungen ein wirtschaftlich auskömmliches Handeln der Beschäftigungsträger fast unmöglich wird", erklärte bag-Chef Peter Bakker.

In der Trägerszene heißt es daher auch, für die HAB sei die Situation deshalb ausweglos, weil sie viele ihrer Mitarbeiter nach Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlen müsse. Senator Scheele und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) könnten sich die zu teure HAB einfach nicht mehr leisten. "Deshalb haben sie die Reißleine gezogen."

Seit den unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder begonnenen Arbeitsmarktreformen ist die Finanzierung von Maßnahmen für den zweiten Arbeitsmarkt deutlich gesunken. Heute bekomme ein Träger für die Förderung eines Arbeitslosen 345 Euro, heißt es bei den Trägern - etwa 50 Prozent weniger als vor der Hartz-IV-Einführung.

Hamburgs Landesrechnungshof hatte dagegen im Januar 2011 erklärt, man könne bislang "kein hinreichend tragfähiges Konzept zur dauerhaften Sanierung erkennen". Für die HAB-Verluste 2009 seien "Mängel in der Wirtschaftsführung der HAB-Geschäftsführung hauptursächlich" gewesen. Beispielsweise sei überflüssiges Personal nicht abgebaut und anderes Personal übertariflich entlohnt worden.

GAL-Arbeitsmarktexpertin Filiz Demirel warf Scheele vor, er sei "direkt verantwortlich" für die miserable Bilanz der HAB. "Es ist zudem merkwürdig, dass die HAB 2011 bei Ausschreibungen noch den Zuschlag bekam, obwohl sie eigentlich nicht mehr konkurrenzfähig war."

Für CDU-Sozialexpertin Katharina Wolff war nur der Zeitpunkt der Entscheidung überraschend. "Die Einschnitte bei der HAB sind unumgänglich", sagte sie dem Abendblatt. Dass sie ausgerechnet unter Detlef Scheele erfolgen, legt aus ihrer Sicht eine Vermutung nahe: "Ein Motiv könnte sein, dass der Sozialsenator damit Filz-Vorwürfen vorbeugen will."