Diese Hinweise sollen innerhalb der kommenden sechs Wochen überprüft werden

Hamburg. Mitarbeiter der Jugendämter werden in den kommenden sechs Wochen rund 160 Hinweise von möglichen Problemfällen in Pflegefamilien überprüfen. Das ist das Ergebnis der Auswertung der Akten über alle 1391 Pflegekinder in der Stadt. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hatte diese nach der tödlichen Methadonvergiftung der elfjährigen Chantal angewiesen. Dessen Staatsrat Jan Pörksen (SPD), der für die Durchführung dieser Überprüfung zuständig war, sagte, dass dabei keine "unmittelbare Kindeswohlgefährdung" entdeckt worden sei.

Es habe ebenso keine Hinweise auf Substitution (Behandlung mit Drogenersatzstoffen) gegeben, so Pörksen weiter. Allerdings habe die Auswertung 40 Hinweise auf Suchtprobleme bei Pflegeeltern ergeben. Als Beispiel nannte Pörksen eine Polizeimeldung über einen betrunkenen Pflegevater, der zu laut gefeiert habe. Zudem stellten die Beamten 13 Fälle von Straftaten fest, darunter Schwarzfahren und Betrug. In zwei Fällen gab es Hinweise auf Verurteilungen wegen Drogendelikten. Diese Familien werden mit Hausbesuchen rechnen müssen. Zudem seien Drogentests angefordert worden. Untersucht wurden die Akten aus den Allgemeinen Sozialen Diensten der Jugendämter, der Pflegekinderdienste, Amtsvormünder sowie der freien Träger.

Wie berichtet, hatte das Jugendamt Wilhelmsburg fünf Hinweise auf Drogenkonsum in Chantals Pflegefamilie ignoriert und als Mobbing abgetan. Es laufen staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die Pflegeeltern, Mitarbeiter des Jugendamts und gegen Mitarbeiter des freien Trägers, der die Pflegefamilie betreut hat.

Laut Thomas Ritzenhoff (SPD), Leiter des für alle Hamburger Pflegefamilien zuständigen Bezirksamts Wandsbek, hätten die Mitarbeiter festgestellt, dass aktuelle Führungszeugnisse von vielen Pflegefamilien fehlten. Die betreffenden Familien würden nun aufgefordert, neue Dokumente vorzulegen. Ritzenhoff: "Künftig soll kein Führungszeugnis älter als drei Jahre sein."

Mit unangemeldeten Hausbesuchen müssen Familien rechnen, bei denen es Hinweise auf unordentliche Wohnverhältnisse gebe. Davon gebe es 14 Fälle. Gezählt wurden auch 17 Hinweise auf Drogenprobleme im Umfeld der Pflegefamilie und neun Hinweise auf Gewalt. Staatsrat Pörksen sagte, dass eine niedrige "Aufmerksamkeitsschwelle" angesetzt worden sei und jedem Hinweis nachgegangen werde. "Besser, wir überprüfen einen Fall zu viel als einen zu wenig."

Nach dem Tod Chantals hatte der damalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber zunächst seine Jugendamtsleiterin Pia Wolters abberufen und war kurz darauf von seinem Posten zurückgetreten. Laut einer Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Christoph de Vries war der Senat bereits Ende des vergangenen Jahres darüber informiert, dass Schreiber einen neuen Job für die Jugendamtsleiterin suchte. De Vries: "Man muss sich fragen, wieso der Öffentlichkeit diese wichtige Information vorenthalten wurde." Senatssprecher Christoph Holstein sagte, dass es in dem Gespräch zwischen Schreiber und dem Staatsrat Christoph Krupp keine Hinweise darauf gegeben habe, dass eine "akute Notwendigkeit zum Handeln" bestehe. Krupp habe auf das Personalamt verwiesen, welches sich mit Wolters in Verbindung gesetzt habe, um die Möglichkeiten einer anderen Verwendung zu beraten. Holstein: "Eine Einigung konnte nicht erzielt werden."

Für Krupp war Pia Wolters keine Unbekannte. Sie war bereits Jugendamtsleiterin in Bergedorf, als der heutige Staatsrat dort Bezirksamtsleiter war. Nachdem dort die zweijährige Michelle in einer verwahrlosten Wohnung starb, wechselte Wolters in den Bezirk Mitte.