Starke Worte beim gemeinsamen Jahresempfang der Bundeswehr-Dienststellen Hamburgs von Innensenator Neumann.

Hamburg. Dieser politische Paukenschlag war wohl von den wenigsten Zuhörern erwartet worden: "Ich möchte hier klar Farbe bekennen", sagte Hamburgs Innensenator Michael Neumann beim ersten gemeinsamen Neujahrsempfangs aller Bundeswehrdienststellen in der Hansestadt.

Die Zusammenlegung hatte finanzielle Hintergründe und fand gestern im CCH statt. Gekommen waren rund 400 illustre Gäste, darunter die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit, die Bischöfe Kirsten Fehrs und Werner Thissen und die amerikanische Generalkonsulin Inmi Patterson. "Die Aussetzung der Wehrpflicht war ein schwerer, kaum wieder gutzumachender Fehler", sagte Neumann mit Nachdruck. "Ich fürchte, wir werden uns noch wundern, was diese falsche Strukturentscheidung für unser Land und für die Bundeswehr bedeuten wird." Neumann sieht aufgrund von daraus resultierenden Nachwuchsmängeln eine "dramatische Entwicklung" voraus - auch bei den zivilen Hilfskräften in Hamburg von Feuerwehr bis Katastrophenschutz. Es gebe eben immer weniger junge Leute, die Sandsäcke auf die Deiche stapeln könnten.

Aufgrund von Personalmangel könne bereits die Deutsche Marine nicht wirksam deutsche Schiffe schützen. Er habe sich nie vorstellen können, dass eine Bundesregierung sich einmal "vom Gewaltmonopol des Staates verabschiedet" und private Sicherheitsdienste "mit Kriegswaffen" einspringen müssten. Der Schutz der Schiffe sei aber "die verdammte Aufgabe dieses Staates". Der Senator erhält viel Beifall im Saal, erntet aber auch Widerspruch.

"Vollkommener Quatsch", entfährt es dem FDP-Bundestagsabgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen, Mitglied des Bundestags-Verteidigungsausschusses. Der Innensenator sei "offensichtlich nicht informiert". Der Bewerberzustrom hoch motivierter Freiwilliger zur Bundeswehr sei auf einem sehr hohen Niveau. Es sei auch falsch, "dass wir den Sicherheitskräften im Kampf gegen die Piraterie Kriegswaffen in die Hand drücken wollen", sagte Müller-Sönksen dem Abendblatt. Von einer Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols könne keine Rede sein. "Der Senator soll sich lieber um die Gewalt hier in Hamburg kümmern."

Im Zentrum des Neujahrsempfangs der Bundeswehr in Hamburg stand jedoch nicht das Scharmützel um die Wehrpflicht, sondern vor allem die Bilanz nach den jüngsten Wehretat-Kürzungen. Hamburg, so sagte es der Standortälteste und Kommandeur des Landeskommandos Hamburg, Kapitän zur See Klaus Beyer, in seiner Rede, sei dabei "mit einem blauen Auge davongekommen". 370 Dienstposten würden in der Hansestadt eingespart, zum Beispiel das Kreiswehrersatzamt und die Fachschule für Rettungswesen.

Doch noch immer ist Hamburg einer der größten Bundeswehrstandorte in Deutschland. Die Führungsakademie, die Helmut-Schmidt-Universität, das Bundeswehrkrankenhaus, das Landeskommando Hamburg und einige kleine Dienststellen wie die Marineschifffahrtsleitstelle umfassen zusammen immerhin rund 7000 Soldaten und Zivilbedienstete - eingerechnet der Studenten und der Lehrgangsteilnehmer.

Seit 1867, als das Infanterieregiment 76 einrückte, ist Hamburg Garnisonsstadt. Die Zeiten allerdings, in denen Zehntausende Mann an Kampftruppen hier stationiert waren und Hamburg zur zweitgrößten Garnisonsstadt in Deutschland mit 35 Truppenteilen und Dienststellen in zwölf Kasernen aufstieg, sind längst vorbei. Noch 1989 waren es 21 000 Mann. Hamburg war unter anderem Standort der Panzergrenadierbrigade 17. Traditionelle Kasernen wie die Röttiger-, Bohn- oder Graf-Goltz-Kaserne wurden aufgelöst und zum Teil abgerissen. Die berühmte "Sophienterrasse" an der Außenalster, heute ein nobles Wohnareal, war einst die größte Außenstelle der Spionageabwehr der Wehrmacht; später residierten hier das Kreiswehrersatzamt, die Standortverwaltung und das Verteidigungsbezirkskommando der Bundeswehr. Die Sophienterrasse war 1956 die erste militärische Dienststelle der neu aufgestellten Bundeswehr in Hamburg geworden.

Immerhin gibt es an Truppen in der Reichspräsident-Ebert-Kaserne in Osdorf noch 100 Mann der 4. Kompanie des Feldjägerbataillons 151 aus Neubrandenburg. Sie sind verantwortlich für Ordnung im gesamten Raum Hamburg und südliches Schleswig-Holstein - inklusive Helgoland und Fehmarn. Und sie sorgten gestern auch für den Schutz der Veranstaltung im CCH. In derselben Kaserne sitzt auch das Landeskommando Hamburg.

Immer noch sei die Bundeswehr "integrativer Bestandteil der Gesellschaft in der Hansestadt", sagte Hamburgs früherer Bürgermeister Christoph Ahlhaus zum Abendblatt. Die Solidarität der Menschen mit den Soldaten am Standort Hamburg sei "ganz besonders wichtig". Der frühere Berufssoldat Michael Neumann lobte die "hochkarätigen Einrichtungen" der deutschen Streitkräfte in der Hansestadt und brachte es gegenüber dieser Zeitung auf die knappe Formel: "Hamburg sagt Ja zur Bundeswehr."