Die Soziale Erhaltungsverordnung gilt faktisch ab sofort im Stadtteil, auch wenn der Senat sie erst prüft. Die FDP läuft Sturm.

Hamburg. Auch wenn der Senat erst prüft, ob die soziale Struktur in St. Georg vor steigenden Mieten geschützt werden kann, haben es Immobilienhändler und Wohnungseigentümer mit luxuriösen Sanierungsplänen dort ab sofort schwerer. Weil über eine Soziale Erhaltungsverordnung nicht vor dem Frühjahr 2011 entschieden wird, muss das Bezirksamt bis dahin derartige Genehmigungen nicht erteilen. "Anträge auf Abriss oder Umbauten können zurückgestellt werden", sagte Anja Hajduk (GAL), Senatorin für Stadtentwicklung.

Faktisch ist damit der erste Schritt getan, den Wohnungsmarkt in St. Georg zum Schutz angestammter Anwohner und weniger vermögender Mieter zu regulieren. Das Gebiet erstreckt sich von der Koppel, Langen Reihe, Steindamm, Hansaplatz bis zur Adenauerallee. Im Jahr 2002 hatte die damalige Koalition aus CDU und Schill-Partei noch dagegen gestimmt. "Ich denke, die demokratische Mehrheit hat damals auf eine Aufwertung des Viertels gesetzt", sagte Senatorin Hajduk, die bedauerte, dass nicht schon früher eingegriffen worden sei. "Unstrittig" laufe in dem Stadtteil seit 30 Jahren ein Prozess der Aufwertung. Ein großer Teil der Wohnungen sei daher bereits gut ausgestattet. Ob das noch vorhandene Potenzial ein "wirkungsvoller Teil" für die Begründung der Verordnung sein könne, sei zu untersuchen, sagte Hajduk.

Große Teile der Bevölkerung diskutieren kritisch die Verdrängung angestammter Anwohner durch Aufwertung, die "Gentrifizierung". Mit dem Netzwerk "Recht auf Stadt" hat diese Bewegung in Hamburg einen Namen, der seit der Besetzung des Gängeviertels bundesweit bekannt ist. Auch für St. Pauli und Teile von Altona und Eimsbüttel erwägt die GAL entsprechende Regelungen. Auf St. Pauli sind die Mieten in den vergangenen fünf Jahren um 40 Prozent gestiegen. Im "Portugiesenviertel" in der südlichen Neustadt gilt eine solche Verordnung seit Jahren.

Eine Soziale Erhaltungsverordnung bedeutet nicht automatisch ein Bleiberecht für Mieter oder Festlegung der Mieten. Laut Baugesetz kann sie eingesetzt werden, wenn sich die Zusammensetzung der Bevölkerung "bewährt" habe und eine zu große Verdrängung negative Folgen haben könnte. Im Gesetz heißt das "Angewiesenheit der Bevölkerung auf das Gebiet im gegenwärtigen Zustand" - was nicht ausschließt, dass Anwohner kommen und gehen.

Dieses Instrument ist nicht unumstritten. Die FDP spricht von "Luxuspolizei", wenn in den Bezirksämtern die Anträge auf Sanierungen und Umbauten, Abrisse oder Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen nur unter Vorbehalt genehmigt würden. "Am Ende entscheiden Sachbearbeiter über die soziale Zulässigkeit von Marmorbädern und Eichenparkett", sagte FDP-Wohnungsbauexperte Lothar Hänsch. Ein "restriktiver Mieterschutz" bremse seit einem Jahrzehnt aber ohnehin die Wohnraumentwicklung.

Zwar sagt GAL-Senatorin Hajduk, man sei sich mit dem Koalitionspartner CDU "schnell einig" geworden, die Verordnung für St. Georg zu prüfen. Es seien auch "Fehler der Vergangenheit" eingestanden worden. Doch CDU-Fraktionsvize Hans-Detlef Roock jedenfalls zeigt sich skeptisch. "Diese Maßnahme ist kein Allheilmittel." Die Aufwertung von Stadtteilen ließe sich abbremsen, aber nicht aufhalten. Auch ist der Begriff "Luxussanierung" auslegbar. Roock etwa versteht darunter, "wenn ein Eigentümer ein Haus mit 20 Wohnungen entkernt und etwas ganz Neues daraus macht".

Grün ist deutlich näher an Rot. "Wir fordern hier schon lange eine Erhaltungsverordnung", sagte SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote. "Unverständlich ist aber, wie viel Zeit der Senat schon tatenlos hat verstreichen lassen." Das Bezirksamt Mitte habe bereits im September 2009 eine "positive Voruntersuchung" an die Behörde übermittelt. "Seitdem herrschte beinahe ein Jahr Stillstand."