Sparklausur ist angesagt: Finanzsenator Carsten Frigge will Personal abbauen und prüft den Verkauf von Hafen-Anteilen.

Von Montag an berät der schwarz-grüne Senat über das größte Sparpaket in der Hamburger Geschichte. Um 556 Millionen Euro pro Jahr müssen die Ausgaben gekürzt werden. Erste Ergebnisse verkündet Bürgermeister Ole von Beust am Mittwoch. Das Abendblatt sprach mit Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) über die schwierige Lage.

Hamburger Abendblatt:

Herr Frigge, der CDU-geführte Senat hat sich oft für solide Finanzpolitik und ausgeglichene Haushalte gelobt. Dann übernehmen Sie die Finanzbehörde und stellen fest, dass es in Wahrheit ein strukturelles Defizit von 500 Millionen Euro gibt, das künftig sogar eine Milliarde Euro beträgt. Woher diese plötzliche Erkenntnis?

Carsten Frigge:

Das hat mit der Perspektive zu tun. In der Politik wird häufig das Bisherige fortgeschrieben. Aber dann kommt man nicht zu so einer grundsätzlichen Betrachtungsweise wie jemand, der wie ich von außen kommt und erstmals damit zu tun hat.

Und dann? Sind sie auf ein Geheimpapier ihres Vorgängers Michael Freytag mit der ganzen Wahrheit gestoßen? Oder haben Sie als Erster richtig gerechnet?

Weder noch. Dass es ein strukturelles Defizit im Haushalt gibt, war allen klar. Auch meinen Vorgängern und im Übrigen auch deren Vorgängern von der SPD. Es stand nur nie im Vordergrund, weil es immer die Annahme gab, dass in Hamburg durch stärkeres Wachstum und ein Sprudeln der Steuereinnahmen diese Lücke geschlossen werden kann. Das ist ja im Wesentlichen auch gelungen. 2007 und 2008 wurden keine neuen Kredite mehr aufgenommen.

Weil Eigentum versilbert wurde.

Wir hatten das Geld auch, weil wir Eigentum verkauft haben. Aber vor allem, weil wir außerordentlich hohe Steuereinnahmen hatten. Hätte man die Lage aber strukturell betrachtet, also um die Konjunktur bedingt hohen Steuereinnahmen bereinigt, hätte man in diesen Jahren nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, sondern auch noch mehr zurücklegen oder stärker Schulden tilgen müssen. Das ist aber wegen der Erwartung weiteren Wachstums nicht geschehen.

Warum wird das erst jetzt festgestellt?

Wir haben inzwischen andere Rahmenbedingungen. Erstens die Schuldenbremse, die ab 2011 wirkt und ab 2020 dann die Kreditaufnahme weitgehend verbietet. Zweitens die Steuerschätzung vom Mai, die für Hamburg nicht nur den Einbruch der Steuereinnahmen um sechs Milliarden Euro bis 2014 noch einmal bestätigt hat, sondern die Erwartungen um weitere 150 Millionen Euro nach unten korrigiert hat. Diese Summe ist nur zum Teil Konjunktur bedingt, rund 600 Millionen Euro pro Jahr sind auf eine veränderte Gesetzgebung des Bundes zurückzuführen, die fehlen uns also strukturell. Drittens haben wir uns verpflichtet, von den neuen Schulden ab 2015 mindestens Hundert Millionen Euro pro Jahr zurückzuzahlen.

Sie haben alle Senatskollegen zum Einzelgespräch empfangen - liegen ausreichend Sparvorschläge auf dem Tisch?

Ich hätte eine ganze Reihe von Vorschlägen, die sicher ausreichen würden, diese Lücke zu schließen ...

... die ihre Kollegen im Senat vermutlich nicht so gut finden?

Es ist meine Aufgabe, dass wir uns im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten bewegen. Die Aufgabe der Kollegen im Senat ist es, innerhalb dieses Rahmens möglichst viel von dem zu realisieren, was politisch gewollt ist. In diesem Widerstreit befinden wir uns, aber es ist ein sehr konstruktiver Dialog.

Das klingt nicht so, als wenn zwei Tage Haushaltsberatungen für eine Einigung ausreichen. Werden Sie sich vertagen?

Das halte ich für möglich.

Gilt für den Sozialetat weiterhin, dass nur die weitere Steigerung der Ausgaben verhindert werden soll?

Die Größenordnung von 556 Millionen Euro, die wir pro Jahr einsparen müssen, zeigt, dass wir kein Politikfeld ausnehmen können.

Es könnte also Einsparungen oder Gebührenerhöhungen im Sozialen geben?

Wie gesagt: Wir können kein Politikfeld ausnehmen.

Die Menschen gehen schon wegen der aktuellen Erhöhung der Kitagebühren auf die Barrikaden. 42 000 Unterschriften wurden dagegen eingereicht. Dabei geht es "nur" um 30 Millionen Euro. Wie wollen Sie in dem Bereich weitere Sparmaßnahmen durchsetzen?

Das Problem der Kitagebührenerhöhung liegt vor allem darin, dass wir es schlecht kommuniziert haben und nicht transparent gemacht haben, dass es nur einen kleinen Teil der Eltern betrifft. Im Wesentlichen ist das eine Anpassung der Gebühren, die über Jahre nicht erhöht wurden, obwohl die Qualität der Kinderbetreuung beständig verbessert wurde und Hamburg damit unter den westdeutschen Ländern klar an der Spitze liegt.

Die Betroffenen empfinden es eher so, dass sie für die gleichen Leistungen künftig viel mehr bezahlen müssen .

Das Gegenteil ist richtig: Wir konnten nur bisher die gestiegene Qualität zum selben Preis anbieten. Das geht jetzt nicht mehr! Ich glaube, dass die Menschen verstehen, dass wir als Stadt über unsere Verhältnisse leben und dem Staat Aufgaben aufgebürdet wurden, die er sich nicht mehr leisten kann. Das zeigen auch die Umfragen, wonach Steuersenkungen eben nicht den vermuteten großen Zuspruch finden. Die Bürger wissen, in welch schwieriger Situation der Staat ist. Die Akzeptanz wird noch größer sein, wenn wir deutlich machen, dass die Erhöhungen eingebunden sind in ein Konzept von Sparmaßnahmen, die auch bei uns selber anfangen.

Sollen Senatoren, Staatsräte oder Abgeordnete auf Geld verzichten?

Ja, nach meiner Meinung schon. Es bringt finanziell zwar nicht viel, aber so ein symbolischer Akt macht deutlich, dass es beim Sparen keine Ausnahmen gibt.

Wie konkret sind diese Überlegungen?

Wir werden das bei den Haushaltsberatungen besprechen. Wie gesagt, ich hielte das für ein wichtiges Signal.

Ihr Parteikollege Rüdiger Kruse hatte im Herbst vorgeschlagen, zehn Prozent der Verwaltung abzubauen. Bei 3,5 Milliarden Euro Personalkosten brächte das immerhin 350 Millionen pro Jahr.

Was wir dringend brauchen, ist eine ernsthafte Aufgabenkritik. Die Verwaltung muss sich hinterfragen. Leisten wir uns den Luxus, viele Dinge auf eine Art zu tun, wie es schon immer getan wurde? Geht es nicht effizienter? Wir dürfen der Verwaltung nicht immer mehr Aufgaben auferlegen, sondern müssen den gegenteiligen Weg gehen und uns fragen: Welche Aufgaben kann der Staat noch wahrnehmen? Welche muss er nicht unbedingt wahrnehmen? Wenn wir dabei gute Lösungen finden, wird dies auch zu signifikanten Ersparnissen bei den Personalkosten führen.

Wo und in welcher Größenordnung?

Darüber beraten wir nächste Woche.

Der Rechnungshof schlägt vor, mehr Knöllchen zu schreiben und Anlieger zu Straßenausbaubeiträgen heranzuziehen.

Wir sind dem Rechnungshof sehr dankbar für sein konstruktives Mitwirken und werden diese Vorschläge natürlich prüfen.

Wird der Teilumzug der Universität in einen Neubau im Hafen für zwei Milliarden Euro beerdigt?

Es steht wie alle anderen großen Projekte der Stadt, 94 an der Zahl, auf dem Prüfstand. Im Rahmen der Haushaltsberatungen werden wir zu einem Ergebnis kommen.

Können Sie den Grünen einen Verzicht auf die Stadtbahn abringen?

Die Stadtbahn spielt die gleiche Rolle wie die anderen Projekte. Wir betrachten alles im Zusammenhang.

Nach Ihrem Amtsantritt hatten Sie über einen Zukauf von HHLA-Anteilen nachgedacht. Wie ist der Stand?

Derzeit prüfen wir alle Möglichkeiten. Wir nutzen die Milliarde Euro aus dem Börsengang der HHLA ja jetzt, um damit Infrastrukturmaßnahmen im Hafen zu finanzieren. Es ist auch nicht ausgeschlossen, diesen Weg weiterzuverfolgen.

Das heißt, statt aufzustocken, könnte Hamburg also seinen HHLA-Anteil von knapp 70 Prozent weiter absenken?

Das ist eine Option. Mit den knapp 70 Prozent sind wir in einer strategisch ungünstigen Position. Mit 50,1 Prozent hätten wir genauso viel Einfluss wie jetzt, mehr wird es erst ab gut 75 Prozent. Wir prüfen derzeit, welche Variante strategisch sinnvoller ist.