Der Anlauf ist lang, doch jeder Schritt entscheidet. Weiter und weiter strecken sich die Beine des Athleten. Das Tempo steigt...

Hamburg. Der Anlauf ist lang, doch jeder Schritt entscheidet. Weiter und weiter strecken sich die Beine des Athleten. Das Tempo steigt, die Linie im Blick, der Atem stockt: bloß nicht übertreten, kraftvoll abspringen und - endlich fliegen. Sanft ist die Landung. Im weichen Sand löst sich die Muskelspannung. Das Ziel ist erreicht.

Weitsprung bei den Olympischen Spielen - perfekt wären diese Bilder gewesen, um damit Hamburg zu repräsentieren. Laut Bewerbung hätte dieses Großereignis auf dem Kleinen Grasbrook stattgefunden, mit Blick auf die HafenCity. Die ganze Welt hätte sehen können, wie sehr dem Senat der viel bemühte "Sprung über die Elbe" geglückt ist. Daraus wurde nichts. Doch anstelle von Stadien und Tartanbahnen ist längst ein neuer Brückenkopf für die Belebung der südlichen Elbseite im Blick: Die Uni soll zum großen Sprung ansetzen.

Nur dass Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) zu früh mit dem Anlauf begonnen hat. Vergangene Woche pfiff Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ihren Frühstart ab: Die Senatorin hatte erst in schneidigem Ton die Vorschläge des Bezirks Eimsbüttel und der Handelskammer abgebügelt, nach denen die Universität durchaus in Rotherbaum bleiben könne. Kurz darauf sprach Oberbaudirektor Jörn Walter im Wissenschaftsausschuss vor und ließ kaum Zweifel: Die Universität müsse in den Hafen. Gundelach nickte und sagte: "Ich schließe mich dem Oberbaudirektor an. Wir müssen eine Entscheidung für die nächsten 100 Jahre treffen."

Tunnelblick beim Anlauf

Formal hat sich Gundelach damit nicht festgelegt. Öffentlich beurteilt wird Politik aber so: Wie passen Reden und Handeln zusammen? Die Senatorin versichert, die Standortdebatte "ergebnisoffen" zu führen. Gleichzeitig fürchtet sie aber einen Kontrollverlust. Oder eben: Wer die Absprunglinie vor Augen hat, dem bleibt nur der Tunnelblick.

Anders ist ihr harscher Umgang mit alternativen Vorschlägen kaum zu erklären. Gundelach ließ ein Architektenteam durchmessen, was der Bezirk mit bescheidenden Mitteln als grobe Idee präsentiert hatte: Dass man auch einer wachsenden Uni in Eimsbüttel durchaus eine Perspektive bieten könne. Doch auch mit einem für eine Million Euro erstellten Gutachten wird sich die Behörde die Deutungshoheit so schnell nicht kaufen können. Jürgen Mantell, Bezirksamtsleiter Eimsbüttel, sagte frustriert: "Kostenschätzungen sowie 'seriöse Umzugsplanung', wie von der Behörde gefordert, können nicht Aufgabe des Bezirks sein." Ganz zu schweigen von der Handelskammer, die sich mit ihrem Vorschlag nicht mal ernst genommen fühlt.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat erkannt, dass auf diesem Wege keine mehrheitsfähige Lösung zustande kommen wird. Auch CDU-Fraktionschef Frank Schira betonte in der Presse, Festlegungen seien wenig hilfreich. Ein Gespräch unter Parteikollegen reichte offenbar nicht mehr. Der Regierungspartner GAL ist ohnehin gegen einen Umzug.

Nun ist das Konzept, Hamburg durch Wissenschaft wachsen zu lassen, wahrlich kein Teufelswerk. Eine Hexenjagd auf die Senatorin, die gerade aus jeder Ecke der Stadt Kritik kassiert, gefährdet die Zukunft der Universität insgesamt - schließlich war es Gundelach, die Milliardensummen für die Wissenschaft ins Gespräch brachte. Und sie sagt offenherzig: Die Emotionalität der Debatte habe sie als rational denkender Mensch unterschätzt.

Rettende Lösung in Sicht

Vieles spricht aber dafür, dass der Senat längst eine rettende Lösung vorbereitet. Naiv zu glauben, Gundelach stehe alleine da mit ihrer Grasbrook-Idee. So hält sich die Wirtschaftsbehörde erstaunlich bedeckt. Im Unternehmen Unikai, ein vom Uni-Umzug bedrohtes Umschlagsunternehmen auf dem Grasbrook, beklagt man gar ein fehlendes Bekenntnis von Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) zu den 1000 Arbeitsplätzen auf der Elbinsel.

Das könnte einen Grund haben: Die befreundeten Senatoren Gedaschko und Gundelach arbeiten an einem Clou: Im Haushaltsausschuss im Januar lassen sie über ein Fraunhofer-Institut für angewandte Forschung in der Logistikbranche beraten. Wissenschaft, Logistik, Grasbrook - klingt so die Chance auf Aussöhnung? Das Institut könnte man ja schon mal an der Elbe bauen. Als freundliche Einladung an die Naturwissenschaftler der Uni Hamburg, zügig nachzukommen.

Auch das proklamierte Platzproblem in Eimsbüttel würde so seinen Zweck erfüllen. Sie hätte die Uni ja gerne zusammengehalten, könnte die Senatorin dann sagen, aber mangelnde Flächen verhindern die Ansiedlung neuer Forschungsbereiche in der City, der Widerstand im Bezirk dagegen den Totalumzug.

Wie politisch gefärbt Aussagen über die nötige Größe der Uni sind, zeigt eine Studie des von Bund und Ländern getragenen Hochschul-Informations-Systems (HIS) von 2004. Darin steht nach Abendblatt-Informationen, der Campus in Eimsbüttel sei 40 000 Quadratmeter zu groß (!). Wurde damals mit weniger Studierenden geplant? Eindeutig war zumindest das Fazit des HIS zur baulichen Zukunft des derzeitigen Campus: "Konzentration auf den Hauptstandort, Verlagerung der Informatik." Heute, fünf Jahre später, lässt Gundelach hingegen bescheinigen, in Eimsbüttel fehlten 40 000 Quadtratmeter: macht eine Diskrepanz von satten 80 000 Quadratmetern zwischen beiden Gutachten. Konkret herausgekommen ist aus diesen gegensätzlichen Rechenspielen bisher eines: nämlich nichts.

Kommt also der Teilumzug? Bei diesem kleineren Sprung über die Elbe passieren Trittfehler jedenfalls weniger schnell: Der Anlauf ist kürzer.