In der TV-Serie “Knight Rider“ funktionierte das auf Knopfdruck. Stacheln schossen aus den Reifen, und schon brauste der schwarze Sportwagen.

In der beliebten Fernsehserie "Knight Rider" funktionierte das auf Knopfdruck. Stacheln schossen aus den Reifen, und schon brauste der schwarze Sportwagen zielsicher über die Straße, die Bösewichte mit Stickstoff spiegelglatt hatten frieren lassen. Ähnliches empfiehlt nun die Innenbehörde auf Anfrage der Nord-Abgeordneten: Fahrradfahrern sei im Unterschied zu Autos erlaubt, mit "Spikes" an ihren Reifen zu fahren (für rund 40 Euro pro Laufrad erhältlich) - was die Diskussion erübrige, dass Radler auf geräumte Straßen ausweichen dürften.

Wie eine TV-Serie geht auch Hamburgs Winterpolitik an der Realität vorbei. Die Witterung ist zwar kein Bösewicht, aber wenn man so will, hält sie derzeit viele Hamburger als Geisel. Menschen, die unsicher zu Fuß sind, müssen in diesen Tagen zu Hause bleiben oder riskieren Knochenbrüche. Wer ernsthaft über Spikes am Fahrrad nachdenkt, dürfte noch die geringsten Sorgen haben.

Schleicht man dennoch neben vierspurigen Hauptstraßen über blankes Eis, bleibt viel Zeit zum Grübeln. Was ist geschehen, seitdem Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vor zwei Wochen auf dem Presseball sagte, eine Stadt wie Hamburg müsse in der Lage sein, Gehwege ausreichend zu streuen? Vor allem: Ist Politik überhaupt noch fähig, schnell Probleme zu lösen, die offenkundig auf der Straße liegen?

Eine offizielle Anweisung des Bürgermeisters fehlt

In der Behörde für Stadtentwicklung stieß der Auftritt des Bürgermeisters auch auf Erstaunen. Zwar wurde beschlossen, der Stadtreinigung kurzfristig 300 zusätzliche Kräfte zu stellen. Dennoch: Eine verbindliche Anweisung des Senatschefs gibt es nach Informationen des Abendblattes nicht. Aber nur dann wären zähe Finanzierungsprobleme dem Ziel untergeordnet gewesen, öffentliche Wege freizuhalten - effektiver Winterdienst ist eine Frage der Kapazitäten. Zumal ein sicherer Einkaufsweg für ältere Menschen - und darum geht es - eine staatliche Garantie sein sollte, die dem Rotstift nicht zum Opfer fallen darf. Doch schon jetzt erwartet man in Behördenkreisen "mit Bedenken" die saftige Rechnung der Stadtreinigung, die pünktlich zum Tauwetter ins Haus flattern dürfte. Dass der Senat die Lage bisher unterschätzt hat, zeigt auch, dass für Montag ein Krisengespräch zwischen Bezirken, Stadtreinigung und Finanzbehörde (!) angesetzt wurde.

"70 000 Beamte, einige können Schnee schieben"

Während der Flutkatastrophe 1962 hat Helmut Schmidt (SPD) die Bundeswehr zur Hilfe geholt, obwohl das so nicht erlaubt war. Nicht, dass jemand Infanterie in der Stadt haben will, weder zum Streuen noch überhaupt. Aber was im Großen möglich war, müsste nun auch im Kleinen gehen: Durchgreifen und schnell handeln.

SPD-Fraktionschef Michael Neumann fordert einen Aktionsplan und appelliert an Hamburgs 70 000 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, die seiner Ansicht nach durchaus mal einen Schneeschieber in die Hand nehmen könnten. "Wenn ältere Menschen das Haus nicht verlassen können, ist das ein Notstand." Neuman erinnert daran, dass allein in der Innenbehörde rund 700 Beamte mit "Stabs- oder Intendanzaufgaben" beschäftigt seien. (Und meint wohl, dass einige dieser Fachkräfte zeitliche Kapazitäten haben müssten.)

Beamte auf die Straße schicken, das dürfte wohl nicht mal der Bürgermeister anordnen. Aber sein Versprechen, kommendes Jahr werde die Stadt besser vorbereitet sein, hilft wenig. Ihm fehlt diesmal, was in der Fernsehserie mit David Hasselhoff so viel Spaß gemacht hat: der Turbo-Boost.