Philip Volkmann-Schluck über den Wahlkampf für die bevorstehende Bundestagswahl.

Hamburg. Durch einen Korridor zu gehen ist selten angenehm. Düster ist so ein enger Gang, nicht immer scheint Licht an seinem Ende. Im strategischen Sinn kann ein Korridor aber auch eine schmale Zone sein, die ein Land über fremdes Hoheitsgebiet mit dem lebenswichtigen Meer verbindet.

Was aber meinte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), als er nach dem schwachen Ergebnis seiner Partei bei den Bundestagswahlen 2002 sagte: "Das liegt im Korridor der deutschen Normalität"?

Eine sperrige Antwort für eine einfache Annahme: Dass sich damals viele Hamburger nicht die CDU an die Macht im Bund gewünscht hätten, sei nicht als Strafe für seine Allianz mit "Richter Gnadenlos" Ronald Schill zu werten, sondern liege im durchschnittlichen, also normalen Verhalten begründet: Hamburger wählen für ihre Stadt anders als für ihr Land - mit Problemen vor der Haustür habe das wenig zu tun.

Ob der Senatschef damit richtig lag, ist eine andere Frage. Fest steht: Diesmal wird es anders laufen. Kein abgeschirmter Korridor wird aus Hamburg direkt in den Bundestag führen. Mit HSH Nordbank, Schulreform, dem Kraftwerk in Moorburg macht die Hansestadt nicht nur überregional Schlagzeilen - es sind emotionale Themen, die Parteiprofile fundamental auf den Prüfstand stellen. Aus diesem Stoff wird Wahlkampf gemacht - wie langweilig ist da doch im Vergleich die Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt (SPD).

Mehr noch: Wahlscharmützel in Zeiten einer Großen Koalition kennen keine Lager, keine Verbündeten. Am Ende muss jede Partei sehen, wo sie bleibt. "Es kämpfen alle gegen alle", stellt GAL-Landeschefin Katharina Fegebank fest.

Schauplatz HSH Nordbank: Man muss nicht Oliver Stones Film "Wall Street" gesehen haben, um bei diesem realen Krimi über Geldgier, Verschleierung und Ungerechtigkeit mitzufiebern. Welche Partei bietet darauf die richtige Antwort? Mit dieser Frage steht und fällt die GAL, die sich Nachhaltigkeit und Maßhalten auf die Fahnen schreibt. Wenn den Grünen die Ursachen des Finanzdebakels auch nicht anzulasten sind - gemessen werden sie nun am Krisenmanagement, und das ist mäßig: An der GAL-Basis wird längst der "Rattenschwanz an schlechten Nachrichten" beklagt, der stückweise an die Öffentlichkeit dringt. Arroganz der Macht passt nicht zum grünen Lebensgefühl. Ebenso wenig wie ein Kohlekraftwerk in Moorburg, selbst wenn es eine Kröte war, die sie schlucken mussten.

Was für die GAL der Schwarze Peter ist, beschert der Hamburger SPD einen Trumpf: Die Sozialdemokraten spielen im Fall der Nordbank befreit auf. Anders als in Kiel waren sie in den Jahren unkontrollierter Risikogeschäfte nicht in der Regierung vertreten. Feuer frei also: "CDU und GAL müssen sich zum Thema Obergrenze bei Managergehältern positionieren", so die Forderung der SPD. Wohl wissend, dass mit den Millionen-Zahlungen an den HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) lässt kaum eine Chance aus, diesen norddeutschen Lapsus in Berlin kundzutun.

Nein, in Sachen Finanzpolitik wird die CDU bei Hamburgern schwerlich punkten können. Was für sie offenbar kein Grund zur Beunruhigung ist: "Das interessiert die Leute gar nicht so sehr", sagte Fraktionssprecher Hein von Schassen. Burkhardt Müller-Sönksen, Hamburger FDP-Bundestagsabgeordneter und nach Umfragewerten möglicher Koalitionspartner der Union, stichelt trotzdem: "Arm ist nicht sexy, Herr von Beust."

Auch in der Bildungspolitik eröffnet die CDU unerwartete Angriffsflächen. Stichwort Elitenförderung. Darin haben sich die Schwarzen und die Roten doch immer unterschieden. Nun aber läuft in der Hansestadt eine - ebenfalls bundesweit beachtete - Schulreform, die Chancengleichheit in den Mittelpunkt rückt und die besonders bei der Stammwählerschaft in den Elbvororten Ängste auslöst, die traditionellen Spitzengymnasien könnten in einem Sumpf der Gleichmacherei verschwinden.

Bleibt zu sagen, dass Bürgermeister Ole von Beust diesen Kurs glaubwürdig trägt - und auch sonst für eine CDU wirbt, die durchaus "Weltretter"-Ambitionen hat, man denke an seine Kapitalismus-Kritik. Und mit seiner Aufgabe klassisch konservativer Positionen hat er die CDU in einer Großstadt mehrheitsfähig gemacht.

Das gefällt auch Kanzlerin Angela Merkel, die ihn wohl gerne als Umweltminister in ihrem Kabinett sehen würde. Bereitschaft dazu hat Beust indes nicht signalisiert. Sollte der Ruf aus Berlin aber schließlich kommen, wäre er wohl so pflichtbewusst, ihm zu folgen.

Dann eröffnet sich ganz unerwartet doch noch ein direkter Korridor nach Berlin, sozusagen eine Geheimtür. In einem solchen Fall sagt man in Hamburg einfach Tschüs!