Vielleicht sollten wir mal wieder den Mond besuchen, es war ja lange kein Mensch mehr dort. Unendliche Weiten erleben die Reisenden, wenn die Rakete erst mal gestartet ist. Ähnliches scheint auch kurz vor der Bundestagswahl an diesem Sonntag zu gelten.

Glaubt man einigen Wahlversprechen, müssen die Möglichkeiten der Politiker wohl grenzenlos sein, wenn sie es an Bord der Regierung geschafft haben. Oder war es Zufall, dass der Regierungskoordinator für Raumfahrt, Peter Hintze (CDU), kürzlich ankündigte, mit der FDP in Zukunft 1,5 Milliarden Euro in Flüge zum Mond investieren zu wollen, trotz versprochener Steuersenkungen? Das Motto: "Houston, Geld ist kein Problem."

Nun wollen wir aber fair bleiben, kurz vor der Abstimmung. Wahlforscher bestätigen, dass sich bis zu jeder fünfte Wähler erst wenige Stunden vor Stimmabgabe entscheidet. Da sei es Politikern gestattet, jetzt noch mal richtig aufzudrehen. Sie verkünden ja auch noch andere Botschaften, als Pläne für Reisen zu anderen Trabanten. Zum Wachbleiben im Wahlkampf hilft zum Beispiel Kaffee, viel Kaffee - wobei die GAL sich mit ihrem Anteil daran brüstet, dass am Freitag bundesweit 100 000 Tassen aus Fair-Trade-Bohnen getrunken wurden, was Weltrekord ist.

Wie bei allem Aktionismus wird man sich aber fragen müssen, was dabei am Ende herauskommt. Wenn Parteien wie Piercings wären, dann hätte die Last-Minute-Strategie der Linken gute Chancen. Spitzenkandidat Jan van Aken stand noch am Freitag, nachts um halb eins, auf der Reeperbahn, um bierselige Wähler zu überzeugen. Das erinnert an Stände auf Musikfestivals, wo Tätowierer und Ohrringsstecher feierfreudigen Jugendlichen im Partyrausch bleibende Körperverzierungen verkaufen. Ein derart böses Erwachen wird es nach der nächtlichen politischen Besalbung hingegen nicht geben.

Mancher Kiezgänger wird sich vielleicht sogar freuen, Herrn van Aken getroffen zu haben; verteilt er doch Kondome mit dem Aufdruck: "Lustvoll. Die Linke". Deutlich schlaffer wird es nach der Wahl in Sachen HSH Nordbank zugehen: Noch nie haben auch die Regierungsparteien GAL und CDU derart auf das marode Kreditinstitut eingeprügelt wie vor wenigen Tagen: Die Nachricht, es wurden nach dem Lehman-Kollaps ohne Not 45 Millionen Euro an eine US-Bank überwiesen, stieß bei GAL-Fraktionschef Jens Kerstan auf "völliges Unverständnis".

Und CDU-Spitze Frank Schira habe sich "sehr" daran erinnert gefühlt, wie die staatliche KfW-Bank noch 300 Millionen Euro aus der Steuerkasse in das schwarze, rauchende Loch warf, das die US-Pleitebank damals gerissen hatte. Doch wie vergleichsweise milde hatten diese Herren dagegen darauf reagiert, als Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher 2,9 Millionen Euro Sonderzahlungen erhielt - aber damals waren es ja noch einige Monate bis zur Wahl. Dabei erscheint der aktuelle Fall harmloser - schließlich handelt es sich nicht um üppige Managerprämien, sondern um Verpflichtungen aus regulären Versicherungsgeschäften, deren Frist abgelaufen war. Rechnung bleibt erst mal Rechnung.

Blumig zeigt sich Hamburgs FDP-Chef Rolf Salo: Er gratulierte HSV-Legende Charly Dörfel zum 70. Geburtstag, per Pressemitteilung, versteht sich. Dörfel sei ja nicht nur für Bananenflanken bekannt, sondern wähle "traditionell" liberal. Gut zu wissen.

Freundschaftlich zeigt sich nun auch die Hamburger SPD, zuvor gescholten für interne Grabenkämpfe. Der Ex-Landesvorsitzende Mathias Petersen rief nun ausdrücklich dazu auf, in Eimsbüttel Danial Ilkhanipour zu wählen, der per Genossenstreich Niels Annen das Mandat abgeluchst hatte.

Trotz der vielen Spontis unter den Wählern: Vielleicht werden politische Endspurt-Aktionen sowieso überschätzt. Und auch, was darüber am Wahltag in der Zeitung steht. Ein Direktkandidat fragte kurz vor Redaktionsschluss beim Abendblatt: "Bringen Sie morgen noch was Negatives?"

Nein, machen wir nicht.