Die SPD verblüfft die direkte Übernahme des eigenen Vorschlags. Bürgerschaft will in der nächsten Woche neues Schulgesetz beschließen.

Hamburg. Eigentlich war alles so wie früher: Die SPD schreibt die Gesetze und die anderen stimmen zu - kleine Änderungen eingeschlossen. Mancher Sozialdemokrat rieb sich in dieser Woche verwundert die Augen, wie entgegenkommend Schwarz-Grün in den Verhandlungen über die Schulreform gegenüber der SPD war. Sicher, alle drei Parteien wollten die Einigung unbedingt. Dass aber die eigenen Formulierungen so ungeschmälert Eingang in den Text des neuen Schulgesetzes fanden, das die Bürgerschaft in der kommenden Woche beschließen will, verblüffte die Sozialdemokraten geradezu.

Es war eine im Grunde historische Woche: Erstmals seit dem Sturz in die Opposition 2001 rückte die SPD wieder ins Zentrum der Macht vor. Historisch einmalig war auch, dass die Linke an den Verhandlungstisch der Koalition gebeten wurde. Dabei war bemerkenswert, wie wenig grün sich SPD und Linke sind. Als deren Fraktionschefin Dora Heyenn schon freudestrahlend verkündete, dass die Linke die Abschaffung des Büchergelds durchgesetzt habe, schwoll den wackeren Sozialdemokraten die Zornesader. Schließlich hatten sie diese Forderung schon eine Woche zuvor in der ersten Verhandlungsrunde gegenüber Schwarz-Grün durchgesetzt.

Doch SPD-Landeschef Olaf Scholz ermahnte zur Mäßigung. Jetzt nur keinen Streit mit CDU und GAL darüber, dass sie zuerst mit den Linken verhandelt hatten.

Scholz führte auf Seiten der SPD Regie, und von Beust sorgte gegenüber dafür, dass der Gesprächsfaden nicht abriss. Ein Beispiel: Die SPD forderte die Gleichbehandlung aller Siebtklässler auf dem Gymnasium. Wer nicht nach Klasse acht versetzt werde, müsse die Schule verlassen - egal ob mit oder ohne gymnasiale Empfehlung. Christa Goetsch holte zu einem längeren Vortrag darüber aus, warum das pädagogisch nicht sinnvoll sei. "Und was bedeutet das für den Vorschlag der SPD?", fragte von Beust, der hier klar auf eine politische Lösung setzte. "Ja, es geht wohl nicht anders", gab Goetsch zurück. Der Punkt Elternwahlrecht war abgehakt.

Schon in diesem ersten Gespräch hatten CDU, GAL und SPD weitgehende Einigung erzielt. Was folgte, waren zwei Arbeitstreffen der Fachpolitiker am Wochenende, in denen die Details ausgearbeitet wurden. Dabei drang der Schulpolitiker Ties Rabe, der auf Seiten der SPD die inhaltliche Vorarbeit geleistet hatte, ins Allerheiligste vor. Im Senatsgehege wurde die Grundlage für die Schulgesetzänderung gelegt.

Nur einen Punkt hatten die Verhandler ausgeklammert: Wie viele Lehrer zusätzlich sollen an die Primarschulen, damit die Klassengrößen spürbar abgesenkt werden? Dieses Herzstück des Kompromisses sollte in der letzten Runde am Mittwoch geklärt werden. Und da ging es ein bisschen zu wie auf dem orientalischen Bazar. Zweimal nahmen die Sozialdemokraten eine Auszeit. Dann schlichen sie seitwärts und unbemerkt von wartenden Journalisten aus dem Bürgersaal in einen benachbarten Raum. Einmal ging Schwarz-Grün denselben Weg.

Entscheidend in dieser kritischen Phase war die Altona-Connection: Mit gewisser Überraschung registrierten einige Teilnehmer, dass zwischen Scholz und seiner Frau Britta Ernst auf der einen und Christa Goetsch auf der anderen ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand. Die drei wohnen nicht weit voneinander in Altona und schätzen sich offenbar.

Das löste manche Verkrampfung am Verhandlungstisch. Am Ende einigten sich Schwarz-Grün und SPD darauf, rund 280 bis 300 Lehrer zusätzlich einzustellen. Damit sollen die Klassen rechtlich einklagbar nicht mehr als 23 Schüler, in sozialen Brennpunkten nicht mehr als 19 Schüler haben. 20 bis 25 Millionen Euro kostet der Kompromiss, der die Hamburger von der umstrittenen Primarschule überzeugen soll.