Verwaltungsjurist stellte im Auftrag der Polizei schon Ende 2007 fest: Laufbahnmodell ist rechtswidrig. Trotzdem wurde es Anfang 2008 eingeführt.

Der Innenbehörde war offenbar schon vor Einführung des neuen Laufbahnverlaufsmodells für die Polizei (LVM) bekannt, dass es verfassungswidrig sein könnte. Dem Abendblatt liegt ein Gutachten des renommierten Verwaltungsjuristen Professor Helmut Schnellenbach vor. Der kam im Auftrag des Personalmanagements der Polizei im Dezember 2007 zu dem Schluss: "Eine Vorauswahl der für eine Beförderung infrage kommenden Beamten, die unter Zugrundelegung des Anciennitätsprinzips getroffen wird, wird durch höchstrichterliche Rechtsprechung von Verfassung wegen verworfen." Unter Anciennität versteht man eine Rangfolge, die auf dem Dienstalter basiert. Im Januar 2008 wurde das LVM dennoch eingeführt - genau mit jenem "Anciennitätsprinzip", vor dem Schnellenbach gewarnt hatte. Folge: Im Januar 2010 erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) das Laufbahnverlaufsmodell für verfassungswidrig. Ein Polizeikommissar hatte gegen das LVM geklagt, weil nicht er befördert worden war, sondern ein Kollege, der seinen Dienstgrad bereits länger innehatte. Die Urteilsbegründung des OVG erfolgte exakt entlang der Argumentationslinie des Gutachters. Der Artikel 33 des Grundgesetzes bestimme, dass Beförderungen ausschließlich nach "Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung" zu erfolgen hätten. Die Verweildauer eines Polizisten sei kein Kriterium.

Das LVM sollte eigentlich eine "große und in Deutschland einmalige Strukturreform" werden. Mit diesen Worten hatte es der damalige Innensenator Udo Nagel im Mai 2007 vorgestellt. 5000 Exemplare einer Broschüre über das "funktionsorientierte Laufbahnverlaufsmodell" wurden an die Polizisten verteilt - ein Sonderdruck des "Polizei Journals". "Was durch das Laufbahnverlaufsmodell positiv auf viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Polizei zukommt, ist allemal einen Sonderdruck wert", schrieb Polizeipräsident Werner Jantosch im Editorial.

Wie viele Beamte nach dem rechtswidrigen Verfahren befördert worden sind, konnte die Innenbehörde am Freitag nicht sagen. Ziel des LVM war es, jedem Polizisten die Chance zu geben, mit der Gehaltsstufe A 11 in den Ruhestand zu gehen - also eine entsprechend hohe Pension zu bekommen. Erreicht werden sollte das mit festen Fristen für Beförderungen auf höher dotierte Dienstposten. So sollte beispielsweise der Sprung von A 8 auf A 9 in maximal neun Jahren möglich sein, leistungsstarke Polizisten sollten das schon nach fünf Jahren schaffen können.

Die Innenbehörde arbeitet derzeit an einem neuen Modell. Bis es so weit ist, liegen nach Gewerkschaftsangaben 650 Bewerbungen auf Eis. "Ende Juni wird es ein neues LVM geben", sagt Ralf Kunz, Pressesprecher der Behörde. Bei der Arbeit könnte ein Blick in das Gutachten durchaus helfen. Schnellenbach hatte damals als legale Beförderungspraxis vorgeschlagen, Richtwerte für die Leistungsbeurteilung der Beamten festzulegen. Also zum Beispiel 15 Prozent der Polizisten die Spitzennote zu geben, die dann die Beförderung beschleunigt.

Eine Stellungnahme der Polizei zu dem Gutachten war am Freitag nicht zu bekommen.