Der 31 Jahre alte Beamte soll einer jungen Umweltaktivistin mit seinem Schlagstock massive Schläge in den Rücken versetzt haben.

Hamburg. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen einen Hamburger Bereitschaftspolizisten erhoben. Dem 31-Jährigen, ausgebildetes Mitglied einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), wird Körperverletzung im Amt und Nötigung vorgeworfen. Es geht um einen Vorfall, der sich während des "Klimacamps" im August 2008 auf dem Baustellengelände des geplanten Kohlekraftwerks in Moorburg ereignete. Der Polizist soll einer Demonstrantin mit seinem Schlagstock massive Schläge in den Rücken versetzt haben, obwohl die junge Frau sich zu keinem Zeitpunkt Anordnungen der Polizei widersetzte. Die vermeintliche Tat ereignete sich am 23. August bei einer kurzfristigen Baustellenbesetzung.

Auf einem Film, der im Internet kursiert, ist die Szene zu sehen: Umweltaktivisten, die das Kraftwerksgelände am Kattwykdamm erklommen hatten, werden von panzeruniformierten Beamten aufgefordert, das Areal zügig zu verlassen. Eine junge Frau folgt der Anordnung, trottet wie andere Protestierer auch vor den Polizisten her - in die vorgegebene Richtung. Plötzlich holt einer der Beamten mit seinem Schlagstock aus, schlägt der jungen Frau auf den Rücken. Einmal, zweimal. Die junge Frau schreit auf, Umstehende machen ihrem Entsetzen lautstark Luft. Dann, so scheint es auf dem Video, bemerkt der Beamte offenbar, dass er gefilmt worden ist. Er geht auf den Kameramann zu, drückt die Kamera nach unten, entreißt dem Filmer einen Ausweis, der ihn als Mitglied eines Teams von "Graswurzel.TV" ausweist - einem selbstverwaltet-alternativen Internetmedium.

Laut Staatsanwaltschaftssprecher Wilhelm Möllers ist neben der mutmaßlichen Körperverletzung im Amt auch Nötigung angeklagt. Der Polizist soll den "Graswurzel.TV"-Presseausweis des jungen Filmers einbehalten haben. Allerdings war er durch die Aufnahmen, die der Kameramann bis zur Konfrontation machte, identifizierbar, auch wenn das Gesicht des 31-Jährigen unter dem Helm nicht zu erkennen ist.

Die Beamten der Beweissicherungs- und Festnameeinheiten der Hamburger Bereitschaftspolizei unterstützen andere Polizeikräfte bei Einsätzen in großen Menschenmengen. Sie sind technisch besonders ausgerüstet, müssen körperlich robust sein - auch weil sie vor allem bei Demonstrationen und zum Beispiel krawallgefährdeten Fußballspielen stets in vorderster Front eingesetzt werden. Auch bei Razzien und Observationen kommen BFE-Kräfte zum Einsatz. Der jetzt angeklagte Beamte galt bislang nicht als Hitzkopf - doch nach dem Dafürhalten der Ermittler hat er beim fraglichen Einsatz "die Rechtmäßigkeit seines Handelns" klar verlassen.

Die Anklage gegen ihn ist beim Amtsgericht Harburg eingegangen. Dort soll der Fall verhandelt werden. Wann, das steht derzeit noch nicht fest. Nach Abendblatt-Informationen werden fünf Zeugen ihre Beobachtungen schildern, zudem soll das Filmmaterial von "Graswurzel.TV" und Fotoaufnahmen herangezogen werden. Parallel zum staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ist ein beamtenrechtliches Disziplinarverfahren gegen den Polizisten eingeleitet worden. Die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) der Innenbehörde ist eingeschaltet. Die betroffene junge Frau konnte im Zuge der Ermittlungen bislang nicht ausfindig gemacht werden.