Bürgermeister Ole von Beust kann sich den 3. März 2011 schon mal rot im Kalender anstreichen. An diesem Datum wird er Rekordhalter.

Bürgermeister Ole von Beust kann sich den 3. März 2011 schon mal rot im Kalender anstreichen. An diesem Datum, fast auf den Tag in einem Jahr, wird der Christdemokrat mit der Dauer seiner Amtszeit seinen Vorvorgänger Henning Voscherau (SPD) überrundet haben. Von Beust ist dann Rekordhalter: Kein Hamburger Bürgermeister hat länger an einem Stück regiert als eben er. Der Rekord erstreckt sich auf alle demokratisch gewählten Präsidenten des Senats.

Nun dürfte sich von Beust aus Superlativen dieser Art nicht viel machen. Trotzdem wird nicht nur in seiner Partei seit dieser Woche verschärft darüber diskutiert, wie lange von Beust noch auf dem Bürgermeisterstuhl im Rathaus bleiben will. Dabei ist die Erwartungshaltung der Christdemokraten an ihren Erfolgsgaranten des vergangenen Jahrzehnts ziemlich eindeutig: hoffentlich noch lange!

Das gilt umso mehr, weil hinter der CDU schreckliche Tage liegen. Die Halbzeitbilanz der schwarz-grünen Koalition ist zumindest aus CDU-Sicht ziemlich verhagelt. Da ist die jüngste Umfrage, bei der die Partei auf 31 Prozent abgestürzt ist. So schlecht stand die Union zuletzt 2002 da. Wie zerrissen die Partei wegen der ungeliebten Primarschulreform nach wie vor ist, zeigte sich auf der Mitgliederversammlung am Montag.

Dieser Konvent hatte noch dazu mit einem Paukenschlag begonnen: Finanzsenator und CDU-Landeschef Michael Freytag trat völlig überraschend für fast alle Mitglieder von allem Ämtern zurück. Mit dem Abgang Freytags, der von der Finanz- und der HSH-Nordbank-Krise zermürbt war, ist die Frage nach der künftigen Machtverteilung in der CDU virulent geworden. Der Finanzsenator war schon vorher geschwächt, aber solange er als Parteichef noch im Amt war, lief die Nachfolgediskussion allenfalls verdeckt.

Ohne Freytag hat Ole von Beust nur noch einen einzigen engen Mitstreiter aus dem Startteam nach der Übernahme der Regierungsverantwortung 2001: Volkmar Schön, Staatsrat in der Senatskanzlei. "Ole" fast allein im Haus - nervöse Christdemokraten denken jetzt, dass es auch von Beust nicht mehr lange hält, zumal die Lage ja nicht sehr ersprießlich ist. Schon auf der Mitgliederversammlung machte das Gerücht die Runde, er könne im Sommer abtreten - nach dem Volksentscheid über die Primarschule.

Politisch ist diese Variante nicht sehr wahrscheinlich. Ein Rücktritt zu diesem Zeitpunkt würde bedeuten, dass er eine Partei in tief verunsichertem Zustand und mit ungeklärter Machtfrage zurücklässt. Zwar ist Fraktionschef Frank Schira in dieser Woche nach der Demission Freytags flugs zu dessen Nachfolger gekürt worden. Die eigentlich spannende Frage ist jedoch, wer Spitzenkandidat als Nachfolger von Beusts würde. "Ich habe keine Ambitionen, Bürgermeister zu werden", hat Schira in dieser Woche im Abendblatt-Interview erklärt. Man darf ihn also einstweilen beim Wort nehmen.

Das könnte den Weg für den zweiten starken Mann ebnen: Innensenator Christoph Ahlhaus, den Vorsitzenden der CDU Nord. Schira und Ahlhaus haben sich Anfang der Woche tatsächlich auf diese Arbeitsteilung verständigt. Schira wird auf Vorschlag von Ahlhaus Parteichef, während sich Ahlhaus für eine Spitzenkandidatur bereithält, falls von Beust - wann auch immer - zurücktritt. Der Deal zwischen den beiden hat vorerst einen Machtkampf in der Union verhindert.

Ob Ahlhaus aber tatsächlich von der großen Mehrheit der CDU-Basis als neue Nummer eins akzeptiert würde, ist keinesfalls ausgemacht. Und es gibt mindestens zwei weitere Christdemokraten, die für den Sprung an die Spitze in Betracht kommen: Wirtschaftssenator Axel Gedaschko und Sozialsenator Dietrich Wersich. Beide verfügen allerdings im Gegensatz zu Ahlhaus und Schira über wenig Hausmacht in der Union.

Ein schneller, überstürzter Abgang von Beusts im Sommer würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem heftigen Machtkampf führen, der die CDU nur weiter schwächen kann. Dies gilt besonders für den Fall, dass die Primarschulgegner von der Volksinitiative "Wir wollen lernen" beim Volksentscheid erfolgreich sind und die Reform kippen. Dann werden zum Beispiel die Reformgegner in der Union Morgenluft wittern und eine Kurskorrektur erzwingen wollen.

Es kommt hinzu, dass von Beust die sechsjährige Primarschule zu seiner persönlichen Sache gemacht hat. Im Falle einer Niederlage würde er als in einem zentralen Punkt gescheiterter Bürgermeister abtreten. Von Beust ist wahrlich nicht von Ehrgeiz zerfressen, aber man darf ihm zutrauen, dass er sich einen besseren Abgang aussucht.

Allenfalls ein strahlender Erfolg beim Volksentscheid könnte unter Image-Gesichtspunkten als richtiger Augenblick für den Rückzug vom Amt gelten. Allerdings würde auch in diesem Fall die ungeklärte Macht- und Nachfolgefrage in der CDU negativ ins Gewicht fallen. Es dürfte auch im Interesse von Beusts liegen, einen einigermaßen geordneten Übergang hinzubekommen, der der Union eine Perspektive bietet, an der Regierung zu bleiben.

Derzeit ist am wahrscheinlichsten, dass sich der Bürgermeister ein Jahr vor der nächsten Bürgerschaftswahl überlegt, ob er noch einmal ins Rennen geht. Das wäre im Februar/März 2011. Dabei wird für ihn abzuwägen sein, welche Chancen eine Neuauflage von Schwarz-Grün 2012 hätte. Eine realistisch erwartbare Fortsetzung des von ihm maßgeblich angestoßenen Projekts könnte ein wichtiger Grund für Beust sein, noch einmal anzutreten.

Im Falle eines Rücktritts ein Jahr vor der Wahl bliebe dem Nachfolger noch genügend Zeit, sich einzuarbeiten und aus dem Amt heraus den Wahlkampf zu führen. Bis dahin dürfte auch klarer sein, welcher Nachfolge-Aspirant die besten Chancen in der Partei, aber auch in der Stadt hätte. So gesehen haben Ahlhaus und Co. jetzt eine Art Testlauf begonnen, wobei sie an dem nach wie vor populären Ole von Beust gemessen werden.

Falls sich der Regierungschef in einem Jahr entscheidet zurückzutreten, hätte er Voscherau in der Dauer der Amtszeit schon überrundet. Bleibt er und zieht 2012 noch einmal in den Wahlkampf, dann kann er noch einen weiteren Rekord aufstellen. Selbst wenn er nicht wiedergewählt würde, hätte er 2012 sogar die Bürgermeister-Legende Max Brauer überflügelt. Der Sozialdemokrat hat bislang als einziger Nachkriegs-Bürgermeister zwei zeitlich getrennte Amtszeiten absolviert und kommt zusammen auf zehn Jahre und 37 Tage. Aber von Beust macht sich ja nichts aus solch sportiven Elementen der Politik.