"Herr Abgeordneter, machen Sie sich nicht zu viele Gedanken." Es waren Sätze wie dieser vom 2. Februar, gerichtet an den SPD-Finanzexperten Peter Tschentscher, mit denen Michael Freytag die Opposition auf die Palme bringen konnte. So demonstrativ von seinem Handeln überzeugt, ja, mitunter so herablassend wie der scheidende Finanzsenator und CDU-Chef tritt kaum ein aktuelles Senatsmitglied auf.

Ob er die HSH Nordbank als "im Kern gesund" bezeichnete, als sie das längst nicht mehr war, oder in öffentlicher Sitzung vollmundig ankündigte, jetzt komme zu dem Thema "alles auf den Tisch", obwohl dann doch einiges unter der Tischplatte blieb - Freytag schaffte es immer wieder, auch ohne Not Gegenwind hervorzurufen. Dass die Opposition zuletzt keine Gelegenheit ausließ, ihn für so ziemlich alles zu kritisieren und verantwortlich zu machen, was in der Stadt schieflief, verwunderte nicht. Ob berechtigt oder nicht - der Finanzsenator war für SPD und Linkspartei, aber auch für Gewerkschaften und die nicht im Parlament vertretene FDP die beliebteste Zielscheibe. Und auch wenn es niemand so direkt aussprach: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zur HSH Nordbank hatte natürlich auch das Ziel, Freytag zu demontieren.

Dass er nun alle Brocken hinwarf - außer dem Senatorenposten auch den CDU-Landesvorsitz -, hing zwar nicht direkt mit dem PUA zusammen. Aber das Dauerfeuer hatte ihn zumindest zermürbt. Umso mehr stellt sich nun die Frage: Wer ist das neue "Ziel", wenn der Finanzsenator am 17. März sein Amt aufgibt? Die Antwort dürfte im Rathaus für einiges Unbehagen sorgen: Ole von Beust.

"Das HSH-Nordbank-Desaster ist angerichtet vom Bürgermeister und dem gesamten Senat", gab SPD-Chef Olaf Scholz schon am Tag nach Freytags Rücktrittsankündigung die neue Richtung vor. "Das Ziel der Kritik war nicht allein Herr Freytag, sondern die gesamte Politik des Senats", sagte auch SPD-Fraktionschef Michael Neumann dem Abendblatt.

Klar ist: Der künftige Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) taugt zunächst nicht als Projektionsfläche für Angriffe, denn weder saß er wie Freytag im Aufsichtsrat der HSH Nordbank, noch sind ihm die Rekordverschuldung oder die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie anzulasten. Das bedeutet aber auch: Die Schutzschildfunktion, die Freytag für den Bürgermeister übernahm, kann Frigge nicht ausfüllen. Im Gegenteil: Da Beust mit dem 46-Jährigen gezielt einem langjährigen Weggefährten und Vertrauten - Neumann spricht gar spöttisch von einer "Marionette" - die Finanzbehörde überträgt, könnten die Finanzprobleme der Stadt künftig direkt dem Bürgermeister angelastet werden.

Gleichzeitig wird die SPD weiter versuchen, Frigge in die Affäre um die rheinland-pfälzische CDU zu verwickeln, die er 2005 im Wahlkampf beraten hatte. Dabei geht es um die möglicherweise gesetzeswidrige Verwendung von Fraktionsmitteln. Das ist zwar mehr das Problem der örtlichen Christdemokraten als das von Frigges Beratungsfirma C4, dennoch reichten die Hamburger Genossen gestern die x-te Kleine Anfrage dazu ein.

Doch auch Freytag wird sich noch kritische Fragen anhören müssen. "Sein Rücktritt ändert nichts daran, dass er vernommen wird", stellt Joachim Bischoff, Obmann der Linkspartei im PUA, klar. Er rechne aber nicht vor Ende des Jahres damit. SPD-Obmann Thomas Völsch hofft, dass es etwas schneller geht, bekennt aber: "Die dramatische Situation, dass ein amtierender Finanzsenator aussagen muss, ist natürlich weg." An der grundsätzlichen Frage ändere sich aber nichts: "Wer war wann über die bedrohliche Lage der HSH informiert?" Nach Freytags Abgang wird diese Frage nun vor allem dem Bürgermeister gestellt.