Was er sich selbst am besten verzeihen könne, sei seine eigene Ungeduld, sagte Berndt Röder einmal. Diese innere Großzügigkeit hat nun ihre Grenzen erreicht. Weder die Öffentlichkeit noch die Architektur seines Amts konnten eine Selbstgerechtigkeit des Bürgerschaftspräsidenten länger verzeihen.

Ein Auto fährt sich auf Schnee erst fest, dann drehen seine Reifen durch, was wütend und ungeduldig aussieht. Im Fall Röder lief diese Kette umgekehrt. Bei ihm standen Wut und Ungeduld am Anfang, die ihn zum Telefon greifen ließen. Anschließend fuhr er sich in seinen Versuchen einer Verschleierung fest, worauf sich politisches Glatteis auftat, was Röder zunächst offenbar für nicht gefährlich hielt: Denn wer die Bodenhaftung verloren hat, fürchtet die Schwerkraft nicht.

Der entrückte Präsident zögerte umgekehrt nicht, strenge Maßstäbe an Abgeordnete zu legen. Als Heinrich Langhein (CDU) in seinem Beruf als Rechtsanwalt einem Richter mit "politischen Konsequenzen" drohte, ließ Röder ihm den Vorsitz im Verfassungsausschuss entziehen: Ein Vertreter der Legislative hatte einen Vertreter der Judikative nicht respektiert. Dies zu verhindern, ist die vornehmste Pflicht des Präsidenten, die er - bezogen auf andere - auch erfüllte. Deshalb muss der oberste Repräsentant bei Parteifreunden nicht beliebt sein, er darf es sogar nicht: Das Amt tritt für die Rechte aller Abgeordneten ein, auch gegen Parteiinteressen.

Doch für Röder selbst schien das Gebot der Gewaltenteilung nicht mehr zu gelten: "Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie reden?!", diesen Satz soll Röder häufiger geäußert haben, auch als er verdutzte Polizisten per Notruf in ein Ausschussbüro bestellte - um zu messen, wie lange sie brauchen würden, um vor Ort zu sein.

Das alles klingt eher nach persönlich gefühltem Gewaltmonopol - wie auch der harsche Ton bestätigt, in dem Röder im Fall der Glatteis-Affäre wohl mit dem Bezirksamt sprach, also mit Vertretern der zweiten, ausführenden Gewalt. Dass es ihm auch um freie Fahrt für seinen Wagen ging, vervollständigt das Bild.

Abgehoben kann Röder nicht immer gewesen sein. Wer im Jahr 1968 in die CDU eintritt, will im bürgerlichen Segment nach oben gelangen. Schon als Jurastudent kämpfte der heute 62-Jährige sich durch das zähe Politikgeschäft als Bezirksabgeordneter, zehn Jahre lang, bis 1984. Seitdem ist der Anwalt und Geschäftsführer zweier Zeitungsverlegerverbände (bis heute) immer Mitglied der Bürgerschaft gewesen, Schwerpunkte: Europa, Verkehr, Tourismus. Den Jungpolitiker Röder bezeichneten einige SPDler in den 70er-Jahren als "Kasper", was man nicht überbewerten darf. Für markige Auftritte ist er jedoch bekannt: Schlaglöcher nannte er "Straßenkaries". Und als eine Abgeordnete die Redezeit überschritt, klingelte er so heftig mit der Rednerglocke, dass er nur noch den Griff in der Hand hielt.

Sehr ernst gab er sich jedoch bei seiner Antrittsrede als Präsident. Die Politik müsse die Bürger "ernster nehmen", sagte Röder. An dieser Forderung scheiterte er nun selbst. Er geht ein in die Geschichte als erster zurückgetretener Bürgerschaftspräsident überhaupt: Weil er Privilegien offenbar aus Egoismus missbrauchte. Seine Darstellung jedenfalls, er habe im Interesse seiner Anwohner gehandelt, ist misslungen.

Vielleicht verwechselte Berndt Röder aber auch einfach die Frustbergstraße mit seiner Modelleisenbahn im Keller, wo auch ein Waggon fährt, den ihm Bürgermeister Ole von Beust schenkte. Gefragt, ob er gelegentlich mit roter Schaffnermütze die Züge dirigiere, sagte Röder: "Mich interessiert mehr, dass alles läuft. Die Bahnen sollen nur fahren."