Wie kein Zweiter prägte er den Kiez: Die Pin-ups und leicht geschürzten Mädchen an den Häuserwänden der Reeperbahn sind sein Werk.

Hamburg. Erwin Ross trug irgendwie auch dazu bei, den Anblick gespreizter Beine zu einer weder obszönen noch anzüglich-frivolen Angelegenheit zu machen: Wer aus Gründen des Amüsements oder wegen seines Wohnorts öfter an Ross' Kunstwerken vorbeikam, errötete jedenfalls kaum je. Auf der Reeperbahn sind die Pin-up-Bilder des Malers so gewöhnlich wie Striplokale, Imbissbuden, Sexshops, Kneipen, Theater und Huren. Sie zeigen leicht geschürzte Damen in verführerischen Posen und in einer Seitengasse das berühmteste Motiv: die gespreizten Beine, durch die man in die Kultkneipe "Zur Ritze" kommt.

Am vergangenen Freitag ist Ross, der selbsternannte "Rubens von der Reeperbahn", im Alter von 83 Jahren gestorben (wir berichteten). Das Kiez-Urgestein, das eigentlich aus dem Brandenburgischen stammte, malte bis zuletzt weiter seine prall der Reeperbahn zugewandten Motive. Ross betrieb außerdem eine Galerie, sein Atelier befand sich im St.-Pauli-Museum. Ob für Inneneinrichtungen, Reklame oder Pin-up-Bilder, Ross war über Jahrzehnte in der Szene gefragt: "Man kann schließlich keine Landschaft auf die Fassade pinseln, wenn drinnen 'ne Sex-Show läuft", zitiert das Museum im Internet den Kult-Maler.

Und so hat er dann beinahe sein Leben lang Frauen gemalt, mit bemerkenswert runden Brüsten und sehr flachen Bäuchen. Sein Talent fürs Zeichnen hatte Ross einst in englischer Kriegsgefangenschaft entdeckt, er verbrachte sie in einem Lager in Ägypten. Nach Fotovorlagen malte er Bilder für die Offiziere. Später, in der DDR, waren der Obrigkeit seine Bilder zu erotisch. Ross stellte einen Ausreiseantrag und kam 1954 nach Hamburg, wo er sich zunächst als Hafenarbeiter verdingte. Dann malte er Dekorationen - und Pin-ups.

Zuletzt wohnte Erwin Ross in Osdorf, wo er sich mit der Familie seines Sohnes ein Haus teilte. 2006 bekam er drei Bypässe. Seit vier Wochen lag er im Krankenhaus und starb jetzt an einer Infektion. Sein Sohn Jürgen will, so hört man, weiterhin die Homepage von Erwin Ross betreiben, außerdem plant er ein kleines Museum mit den Bildern seines Vaters. Erwin Ross starb genau ein Jahr nach Hure Domenica. Auf dem Kiez wird er dank seiner Bilder weiterleben.