Ziel des umstrittenen Spiels ist es, sich vom “Penner“ zum Villabesitzer hochzuspielen - via Flaschensammeln und Taschendiebstahl.

Hamburg. "Möchten Sie die neue ,Hinz& Kunzt' kaufen?", fragt der Verkäufer. "Mach hier nicht auf Jammerlappen, du hast doch selbst Schuld an deiner Situation!", ruft ihm eiskalt ein Kneipengast entgegen. Gut dass dieser Satz nur eine Spielsituation ist: Mit dem Internetspiel "Egoseller" des Straßenmagazins "Hinz & Kunzt" kann jetzt nämlich jeder, der sich für den Alltag der Bedürftigen interessiert, ihre Nöte nachvollziehen. Innerhalb von zwei Minuten muss der virtuelle Verkäufer möglichst viele Exemplare des Blatts unter die Leute bringen. Das schafft er aber nur mit geschickter Ansprache, vergreift er sich im Ton, ist die Situation nicht mehr zu retten.

Den Anstoß für ein eigenes "Hinz & Kunzt"-Onlinespiel lieferte ein anderes Computerspiel mit Obdachlosen: das "Pennergame". Es wird seit 2008 von der Hamburger Farbflut Entertainment GmbH im Internet gratis zum Mitspielen angeboten. Ziel ist es dabei, sich vom "untalentierten Penner" zum reichen Villabesitzer hochzuspielen. Der Weg dorthin führt über Flaschensammeln, Überfälle auf Kioske und Taschendiebstahl. "Jetzt kostenlos und ohne weitere Risiken obdachlos werden" heißt es dazu auf der Website flapsig.

Das Team des "Hinz & Kunzt" bezeichnet das Spiel als diskriminierend: "Wir haben den Eindruck, dass das Spiel eher Vorurteile und das schlechte Bild von Obdachlosen verstärkt", sagt Isabel Schwartau. "Das Spiel verharmlost Kriminalität und Alkoholkonsum."

Man habe deshalb mit den "Pennergame"-Erfindern kontrovers diskutiert und sich dann dafür entschieden, mit einem Spiel darauf zu reagieren. Die "Pennergame"-Erfinder Marius Follert und Niels Wildung waren von der Kritik anfangs überrascht. In ihren Osterferien 2008 hatten die beiden, damals noch Schüler und Auszubildender, das Spiel ins Internet gestellt. Diese Idee entwickelte sich so gut, dass die beiden eine eigene Firma gründeten. 30 Mitarbeiter hat die Farbflut Entertainment GmbH mittlerweile.

"Wir verstehen die Einwände von ,Hinz & Kunzt', sind aber von unserem Standpunkt überzeugt", sagt Niels Wildung. Das "Pennergame" sei ein satirisches Spiel, dessen Name bewusst provokant gewählt sei. Gerade auf diese drastische Art gelinge es, auf das Schicksal der Bedürfigen aufmerksam zu machen.

Die Reaktion der beiden Erfinder auf die Kritik an ihrem Spiel ist so clever wie entwaffnend: Ein Teil der Einnahmen aus dem Spiel wird gespendet und die Spieler zum Spenden für soziale Zwecke aufgefordert. Auf der Online-Spendenplattform "betterplace", wo die Spenden gesammelt und gemeinnützigen Projekten zugeteilt werden, sind so mittlerweile rund 28 000 Euro zusammengekommen.

Margot Glunz vom CaFée mit Herz sieht das "Pennergame" deshalb pragmatisch. Sie gehört mit ihrer sozialen Einrichtung zu den Empfängern der Spenden. "Wir konnten mit dem Geld die "Eintracht CaFée mit Herz", eine Fußballmannschaft für junge Männer aus schwierigen sozialen Verhältnissen, gründen" berichtet sie. Schuhe und Trikots konnten angeschafft werden, Bruno Labbadia und Jérome Boateng vom HSV kamen schon für eine Trainingseinheit vorbei. "Ohne die Spenden über das ,Pennergame' wäre das alles nicht möglich gewesen", sagt Glunz.

Die "Hinz & Kunzt"-Redaktion will mit ihrem "Egoseller" dagegen weiter auf ihre Weise auf das Thema Obdachlosigkeit aufmerksam machen. "Das Spiel soll nicht pädagogisch sein, sondern die Teilnehmer spielerisch das Thema kennenlernen und ernst nehmen lassen", sagt Isabel Schwartau.