Für die einen fallen wichtige Entscheidungen im Rathaus. Für die außerparlamentarische FDP schlägt die Stunde der politischen Wahrheit anderswo.

Hamburg. Für die einen fallen wichtige Entscheidungen im Rathaus. Für die außerparlamentarische FDP schlägt die Stunde der politischen Wahrheit bisweilen im noblen Hotel Elysée an der Rothenbaumchaussee, wenn sich dort der Landesvorstand trifft. So war es auch am Montag, als der innerparteiliche Machtkampf eine neue Eskalationsstufe erreichte. Wenn auch der Umgang der Freidemokraten miteinander wenig fein war, so blieb der Rahmen doch hanseatisch gediegen: Man traf sich im Saal Hamburg.

Vordergründig ging es um eine Petitesse. Das Spitzengremium der Partei entzog der FDP-Bundestagsabgeordneten Sylvia Canel den Posten der bildungspolitischen Sprecherin. Den Job will nun Parteichef Rolf Salo selbst übernehmen. Tatsächlich ist die Abberufung der umtriebigen Canel, die auch Vizelandesvorsitzende ist, Teil eines Lagerkampfes.

Rückblende: Am Abend der Bundestagswahl Ende September 2009 waren sie die großen Sieger: Mit Burkhardt Müller-Sönksen und Sylvia Canel zogen erstmals seit Jahrzehnten wieder zwei Hamburger Liberale in den Bundestag ein. Seitdem läuft es für die beiden, die seit Jahren als politisches Duo agieren, in Berlin gut: Müller-Sönksen kann sich als medienpolitischer Sprecher öffentlich wirksam in Szene setzen. Canel ist als Parlaments-Newcomerin auf Anhieb Berichterstatterin ihrer Fraktion für Bildungspolitik geworden, gewissermaßen die Fachdisziplin der Lehrerin.

Doch die Propheten zählen im eigenen Land wenig: Müller-Sönksen und Canel haben kräftigen Gegenwind in ihrem Heimatverband. Die Elb-FDP ist die rebellische Partei per se: Die Liberalen mögen es nicht, wenn jemand der ihren zu sehr im Rampenlicht steht. Man kann es auch so sagen: Die FDP mag den Erfolg wie jede Partei, aber nicht die Erfolgreichen.

Empfindsame Gemüter mögen an dieser Stelle von Neid sprechen. Das trifft es aber nur zum Teil. Im Kern geht es um die Frage, wer die Macht hat. Zum Beispiel geht es um die Macht, sich selbst oder seine Getreuen auf aussichtsreiche Parteiposten oder Listenplätze bei Wahlen zu hieven. Da sich die FDP vor jeder Bürgerschaftswahl stets mit einem Bein im Senat wähnt, denken letztlich alle auch an die attraktiven Senatorenposten.

Vor diesem Hintergrund tobt seit einem Jahr ein innerparteilicher Stellungskrieg zwischen Parteichef Salo und seinen Getreuen wie Parteivize Kurt Duwe auf der einen Seite und eben Müller-Sönksen und Canel auf der anderen. Inhaltlich-programmatische Differenzen spielen keine Rolle. Es geht darum, wer mit wem kann oder eben nicht. Salo und Müller-Sönksen können überhaupt nicht miteinander.

Am 15. Februar 2009 hatte sich Salo überraschend gegen Burkhardt Müller-Sönksen als Parteichef durchgesetzt. Dabei hatte sich "BMS" schon fast am Ziel gesehen: Bundestagsabgeordneter und Landeschef - ohne ihn wäre in der FDP nichts gegangen. Doch die Liberalen haben etwas gegen zu viel Macht in einer Hand. Müller-Sönksen musste sich mit einem Stellvertreterposten zufrieden geben.

Um zu zeigen, wer nunmehr Herr im Haus ist, düpierte Salo Müller-Sönksen gleich nach seiner Wahl. Der Parteichef kündigte an, dass der Themenbereich Wirtschaft und Arbeit nach der Bundestagswahl Chefsache werden würde. Müller-Sönksen war seinen Sprecherposten los.

Wenn das als erzieherische Maßnahme gedacht war, dann hat sie nicht gewirkt. Jetzt nahmen viele einen Plan B Müller-Sönksens wahr. Es ging darum, Sylvia Canel als starke Frau aufzubauen - mit der Perspektive der Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2012. Salo hat dem Machtstreben nun einen Riegel vorgeschoben und damit zugleich seine eigenen Ansprüche auf die Spitzenkandidatur angemeldet.

Die jüngere Geschichte der Hamburger FDP ist eine Geschichte der Palastrevolten, wenn sich dieser Begriff nicht verbieten würde bei dieser republikanischen Partei. Wenn Salo zu viel Macht anhäuft, wird es ihm so gehen wie Müller-Sönksen. Die FDP hat in den vergangenen vier Jahren vier Parteichefs verschlissen.

Das jüngste Kapitel im Machtkampf wurde am Freitagabend geschrieben. Da kam der Landesvorstand zu einer Sondersitzung zusammen - wieder im Hotel Elysée. Einziger Tagesordnungspunkt: die anonyme E-Mail, mit der ein inzwischen identifizierter Jungliberaler noch in der Nacht zum Dienstag über einen großen Verteiler die Abberufung Canels publik gemacht hatte.

Entscheidend sind jedoch die abfälligen Bemerkungen über führende Liberale in der E-Mail. Salo wird als "schwacher Landesvorsitzender" bezeichnet. Vorstandsmitglied Martina Kaesbach, die die Abberufung Canels mitbetrieben hatte, sei "die wohl unfähigste Person unter den Sprechern der FDP". Und schließlich: "Dieselben Personen, die die FDP Hamburg bereits in den letzten Jahren in den Abgrund gesteuert haben, halten weiter das Heft in der Hand." Zu dumm für Canel, dass der junge E-Mail-Schreiber ihr Mitarbeiter ist. Ihm wird nun parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Wie gesagt, es läuft nicht gut für Canel und Müller-Sönksen.

Übrigens: Getagt wurde im Saal Shanghai. Ein Schelm, der angesichts des raubeinigen Umgangs der Liberalen miteinander an die Triaden, die chinesische Mafia, denkt.