Sozial- und Arbeitsminister beraten heute in Berlin über Zukunft der Einrichtungen. Gedaschko will Sonderregelung für Hamburg.

Hamburg. Nein, gern arbeitslos ist Hans Mustermann (*) natürlich nicht, schon gar nicht, seit er nach zwölf Monaten Arbeitslosengeld I nur noch Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezieht. Die Situation nervt ihn wie die meisten anderen 80 000 Arbeitslosen in Hamburg, von denen der größte Teil (etwa 55 000) auch mit dem Hartz-IV-Regelsatz von 359 Euro auskommen muss. Dass er mit seinen Sorgen nicht allein ist, dass im Gegenteil die Zahl der Menschen ohne Job in der Hansestadt im Zuge der Wirtschaftskrise wohl die 90 000 wieder überschreiten wird, ist für Hans Mustermann kein Trost.

Etwas erleichtert wird die Situation aber dadurch, dass er in dem für ihn zuständigen Jobcenter alles aus einer Hand bekommt. Ob es Probleme mit dem Wohngeld gibt oder er eine Schuldnerberatung braucht, im Idealfall organisiert sein Betreuer alles. Das war eines der Ziele, als 2005 die vom Bund ausgezahlte Arbeitslosenhilfe und die in kommunaler Regie organisierte Sozialhilfe zum ALG II zusammengelegt und entsprechende Arbeitsgemeinschaften (Argen) von Arbeitsamt und Kommune - in Hamburg also der Stadt - gegründet wurden. "Team Arbeit" heißt dieses Konstrukt in Hamburg, und es gilt - unabhängig vom bundesweiten Dauerstreit über die Höhe der Hilfesätze - als erfolgreich. Doch ob es erhalten bleibt, ist höchst fraglich. Eine Sonderkonferenz der Sozial- und Arbeitsminister aus den Ländern berät heute in Berlin darüber.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Mischorganisation für unzulässig erklärt, und die schwarz-gelbe Bundesregierung hat eine Trennung bis spätestens Anfang 2011 vereinbart. Für Hans Mustermann würde das bedeuten, dass er seinen Antrag auf Arbeitslosengeld II zwar weiterhin in seinem Jobcenter stellen kann, bei allen weitergehenden Hilfen, und das sind nicht selten eine ganze Menge, würde es kompliziert. Bei städtischen Leistungen wie Wohngeld, Beratungen, Hilfen zur Erziehung oder einmaligen Zuschüssen, zum Beispiel für eine Waschmaschine, hilft dann nicht mehr der "Kundenbetreuer" der Arge weiter, sondern dafür muss Mustermann sich an die entsprechenden Ämter und Behörden wenden.

Die im "Bundesnetzwerk Arge" zusammengeschlossenen Arbeitsgemeinschaften listen weitere Nachteile auf: Widersprüche und Klagen vor den Sozialgerichten müssten künftig sowohl an die Stadt als auch an Arbeitsagentur gerichtet werden, Forderungseinzüge oder die Prüfung von Unterhaltsansprüchen müssten doppelt bearbeitet werden. Folgen für Arbeitslose wie Hans Mustermann: "Statt zu einer Stelle müssen sie zu zwei Behörden gehen, mehr Anträge ausfüllen und sich mit einem komplizierten Recht mit einer unübersichtlicheren Institutionen-Landschaft vor Ort auseinandersetzen", heißt es in einem Papier des Netzwerks, das sich kritisch mit den Koalitionsplänen auseinandersetzt. Der "gute Geist der gemeinsamen Aufgabenerledigung" sei "massiv gefährdet". Das sieht auch Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) so. Daher setzt er sich dafür ein, dass Hamburg die bundesweit 70. "Optionskommune" wird und künftig alle Leistungen in Eigenregie anbietet.

Die 1222 Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, die bislang zusammen mit 706 Beschäftigten der Stadt in der Arge zusammenarbeiten, würde sie übernehmen. Ein Gespräch mit der neuen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat Gedaschko bereits geführt. Nach Abendblatt-Informationen unterstützt sie seinen Vorstoß - ebenso wie der Hamburger Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg. "Die Arge Hamburg funktioniert und sollte nicht zerschlagen werden", sagt er. Weinberg wurde kürzlich zum stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt und setzt sich für einen "Hamburger Weg" ein. "Ich habe Bedenken, ob die geplanten Veränderungen für die ALG-II-Empfänger und die Stadt Hamburg zu verkraften sind", sagt er und fordert: "Mehr Bürokratie muss verhindert werden und die kommunale Gestaltungsmöglichkeit aufrechterhalten bleiben."

Dennoch gibt es Probleme. Aufgrund der Haltung des Verfassungsgerichts müsste für den Alleingang Hamburgs entweder die Verfassung geändert werden - das gilt als aussichtslos - oder das Sozialgesetzbuch (SGB) II. Und während die FDP in der Frage als leidenschaftslos gilt, gibt es in der CDU/CSU-Fraktion gegen beide Lösungen Widerstand, die Sorge vor einer juristisch angreifbaren Lösung ist groß. Sollte es nicht schon heute einen Durchbruch geben, haben Gedaschko und Weinberg also noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten - Hans Mustermann dürfte ihnen dabei die Daumen drücken.