Der Auftritt von Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) in der Landespressekonferenz am Dienstag war symptomatisch für den Umgang des Senats mit dem Thema Gängeviertel.

Hamburg. Selten zuvor hat wohl ein Regierungsmitglied eine solch unglückliche Figur auf diesem Platz abgegeben.

Journalisten löcherten das einzig offiziell auskunftsberechtigte Senatsmitglied zum Thema Gängeviertel mit Fragen. Und von Welck? Die Senatorin stockte, verhaspelte sich, atmete schwer, suchte nach Formulierungen, fand sie nicht, fing wieder von vorne an, brach Sätze ab, setzte neu an und suchte. Nach Worten, nach Erklärungen, nach einem Ausweg. Was sie nicht fand, waren klare Antworten. Die Aufzeichnungen dieser Pressekonferenz dokumentieren vor allem eines: Hilflosigkeit.

Die Verantwortung trägt eigentlich Michael Freytag

Doch es wäre nicht fair, die Verantwortung für diesen Auftritt allein bei Karin von Welck zu suchen. Genauso wie es nicht fair wäre, der Kultursenatorin für das Durcheinander-Schlamassel rund ums Gängeviertel die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Verantwortung tragen andere - die CDU und allen voran Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Wollte man es böse formulieren, könnte man sagen, Karin von Welck wurde als Prügelknabe der öffentlichen Kritik und Schelte ausgesetzt, wurde bewusst auf die Bühne geschoben, um ausgebuht zu werden.

Mit der Kulturbehörde und damit mit Senatorin von Welck wurde ausgerechnet die Behörde als öffentliche Anlaufstelle ausgewählt, die am wenigsten mit der Sache zu tun und überhaupt nichts zu bestimmen hat. Tatsächlich ist die Entscheidung über die Zukunft des letzten Teils Alt-Hamburgs, des historischen Gängeviertels, eine stadtentwicklungspolitische. Will man dieses allerletzte Stückchen Stadtgeschichte aufgeben oder nicht?

Aber anstatt diese Entscheidung selbst zu treffen, zumindest ein deutliches Wort mitzureden, zieht sich die amtierende Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) lieber komplett zurück, schweigt, und lässt sich ihre amtliche Kompetenz von Michael Freytag aus der Hand nehmen.

Doch nicht nur Senatorin Hajduk, sondern die gesamte GAL schweigt, duckt sich weg und vergibt die Chance, bei einem urgrünen Thema - der Ansiedlung von Kreativen und dem Erhalt von Raum für Kunst - eigene politische Akzente zu setzen. Stellt sich die Frage, welchen Preis dieses Schweigen gekostet hat? Welchen politischen Handel mag es zwischen den Koalitionären wohl gegeben haben? Lässt die CDU für das Stillhalten der GAL beim Thema Gängeviertel zum Beispiel in der Sparklausur des Senats in der kommenden Woche die Finger von der Stadtbahn?

Weil die Zuständigkeit über die Liegenschaft des Gängeviertels bei der Finanzbehörde liegt, befindet nun allein die CDU-Behörde und Michael Freytag über Erhalt oder Untergang des Viertels. Dieses Auftreten sieht schon sehr nach Gutsherrenart des Finanzsenators aus, fast so, als würde die CDU noch allein regieren.

Öffentlich heißt es, "gültige Verträge müssen eingehalten werden". Ein Satz, der vor allem von dieser Regierung schon ein bisschen zu oft bemüht - und auch schon zu oft nicht eingehalten - wurde. Siehe Kraftwerk Moorburg, siehe Möbel Höffner. Ja, natürlich müssen Verträge eingehalten werden. Was auch sonst?

Und in der aktuellen Diskussion um das Gängeviertel darf niemand übersehen, dass sich jahrelang keiner um dieses kleine Areal mitten im Zentrum gekümmert hat. Weder Künstler noch Bürger oder Politiker. Die Häuser mitten in der Stadt gammelten vor sich hin und wurden Stück für Stück dem Verfall preisgegeben. Nach jahrelangem Hin und Her waren alle Seiten sehr froh gewesen, mit Hanzevast endlich einen Investor gefunden zu haben, der das Grundstück kaufen und Zukunftspläne für das Viertel umsetzen wollte.

Ein Großteil der CDU will Umbau des Gängeviertels

Aber: Die Zeiten und in den vergangenen Wochen auch die Diskussionen haben sich verändert. Und tatsächlich hatte Finanzsenator Freytag die Chance, dem Rechnung zu tragen und den Vertrag ohne größere Probleme und ohne ihn zu brechen wieder zurückzunehmen. Die Stadt hätte mitgestalten können. Hanzevast hatte der Stadt eine Partnerschaft angeboten. Dieser Vorschlag wurde aber nicht aufgegriffen. Auch eine "Rückabwicklung" des Vertrags hätte sich der Investor vorstellen können. Doch ein Angebot der Stadt blieb aus. Stattdessen wurde ein weiterer Geldgeber, die Bayerische Bau und Immobilien Gruppe mit ins Boot geholt, damit die fälligen Kaufpreisraten auch bezahlt werden, der Vertrag Rechtsgültigkeit behält und die Baupläne des Investors möglichst zügig umgesetzt werden. Nichts anderes nämlich wollen große Teile der CDU. Das sagen die wenigsten aber öffentlich. Viel lieber wird die Sympathie für die Künstler zitiert.

Warum sollte sich die CDU auch in diese Nesseln setzen und sich der öffentlichen Diskussion aussetzen? Dafür wurde mit Karin von Welck jemand anderes auserkoren. Und die Senatorin erfüllt ihre Aufgabe, die Kritik auf sich und von den anderen abzuziehen ja mit Bravour.