Untersuchungen, Klagen, Prüfungen und unklare Motive: Warum die Aufklärung des Milliardendesasters weiterhin stockt.

Hamburg. "Es wurde getarnt, getäuscht und auch verschleiert." Daher müsse jetzt endlich alles aufgeklärt werden. Es waren markige Worte, mit denen SPD-Fraktionschef Michael Neumann am 1. April in der Bürgerschaft die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) angekündigt hatte, der die Gründe für die Milliardenverluste der HSH Nordbank aufdecken sollte.

Wer ein halbes Jahr später zusammenfassen möchte, was seitdem "aufgeklärt" wurde, hat es leicht: nichts. Und wer fragt, woran das liegt, stößt auf technische Probleme - die Sommerpause, den Wahlkampf, fehlende Akten -, er stößt auf inhaltliche Stolpersteine, aber auch auf heillose Verwirrung. Denn angesichts von zwei Untersuchungsausschüssen, Strafanzeigen gegen die und seitens der Bank, externen und internen Untersuchungen stellt sich die Frage, ob das Desaster dieser Landesbank, die 2008 rund 2,8 Milliarden Euro versenkt hat, jemals aufgeklärt werden kann.

Die drei Grundprobleme:

1. Akten und Abläufe: Der Untersuchungsausschuss des Kieler Landtags musste aufgrund der Neuwahl seine Arbeit beenden. Ein neuer PUA, den alle Parteien im Landtag wollen, wird vor Anfang 2010 keine inhaltliche Arbeit leisten. Immerhin liegen die meisten angeforderten Akten bereits vor.

Auf den Hamburger PUA trifft selbst das nicht zu. Neuere Akten hatte die Finanzbehörde Ende August geliefert. Da CDU und GAL aber auch das HSH-Vorgängerinstitut Hamburgische Landesbank unter die Lupe nehmen wollen (damals führte noch die SPD den Senat), wird auf weitere Unterlagen gewartet - Ankunft frühestens im November. Parallel hatte ein Streit um das Vorgehen bei der Untersuchung die Arbeit verzögert.

2. Die Justiz lähmt den PUA: Aufgrund der Strafanzeige des Hamburger Rechtsanwalts Gerhard Strate gegen "Verantwortliche der HSH Nordbank" ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer der Bank wegen schwerer Untreue. Beteiligte gehen davon aus, dass viele vomPUA vorgeladene Zeugen die Aussage verweigern werden. Begründung: "Ich bin Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen und könnte mich selbst belasten."

3. Die Motive: Kritiker zweifeln die positiven Aussagen der HSH-Führung zum Umbau der Bank an. Klar ist: Vorstandschef Jens Dirk Nonnenmacher und die Länder haben ein Interesse daran, die Lage nicht weiter zu dramatisieren, schon um Ruhe zu haben. Wie belastbar die offiziellen Zahlen sind, ist aber umstritten.

Allerdings ist auch nebulös, was die Kritiker antreibt. Ex-Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) spricht von seiner "Pflicht", die Probleme der Bank zu benennen. Nachdem er damit in der Regierung von Peter Harry Carstensen (CDU) nicht durchgedrungen war, halten ihm Kritiker Nachtreten vor. Dass die HSH Marnette verklagen wollte, dementiert die Bank heftig - doch der Ärger über die Kritik ist groß.

"Es geht um Verschleuderung von Steuern, und ich bin auch Steuerzahler", sagt Gerhard Strate zu seinem Motiv. Dass er als Anwalt von der Publicity profitiert, streitet er nicht ab. Doch seine Strafanzeigen sind faktenreich, sonst hätte die Staatsanwaltschaft kaum zehn Ermittler auf das Thema angesetzt. Im jüngsten Fall der 45-Millionen-Dollar-Zahlung der HSH an die US-Bank Goldman Sachs listet er die Regeln der "International Swaps and Derivates Association" (ISDA) auf, wonach die HSH aufgrund einer versäumten Frist nicht hätte zahlen dürfen. Das Gegenargument der Bank, sie habe Sorge um ihren Ruf gehabt, lässt er nicht gelten: "Wenn etwas Zweckmäßiges zugleich rechtswidrig ist, dann geht es nicht."

Strate räumt auch ein, dass ihn das Thema mittlerweile elektrisiere: "Je tiefer man einsteigt, desto mehr übt das eine gewisse Faszination aus. Das ist wie bei einem gruseligen Krimi."

Die HSH bestreitet die Fakten nicht. Dass sie sich jetzt, sieben Monate nach Strates erster Anzeige, mit einer Strafanzeige wegen "falscher Verdächtigungen" wehrt, liegt daran, dass der Anwalt erstmals Nonnenmacher persönlich nennt. Auch dieser"Gegenschlag" trägt Züge eines persönlichen Motivs. Und er trägt dazu bei, dass die öffentliche Aufmerksamkeit groß bleibt. Indes: Der Durchblick geht langsam verloren, und die Aufklärung tendiert gegen null.