Das Abendblatt stellt Hamburger Nachwuchspolitiker vor. Ihre Standpunkte scheinen überraschend eindeutig zu sein.

Hamburg. Ein Kreuz dürfen sie an diesem Sonntag noch nicht machen, doch eine Wahl haben sie bereits getroffen. Auch wenn es "out" ist, sich politisch zu engagieren, wie laut einer Umfrage von Infratest dimap rund 70 Prozent der Jugendlichen denken."Falsch", sagen fünf junge Hamburger Nachwuchspolitiker.

Während viele Erwachsene hadern, erscheinen ihre Standpunkte überraschend eindeutig zu sein: "Ich hätte damals McCain gewählt", sagt Ramon Weilinger (17) von der Schüler Union. Bijan Tavassoli (17) von den Linken ist der Meinung: "Gerhard Schröder hat asoziale Politik gemacht", und Yannik Rother (16) von den Jusos ist sicher: "Schwarz-Gelb bedeutet das Ende der Arbeitnehmerrechte". Überhaupt, während alle von Politikverdrossenheit sprechen, freuen sich die Hamburger Jugendverbände der etablierten Parteien über einen Zulauf, der meist unterschätzt wird: Sprecher der Nachwuchsabteilungen von CDU, SPD, GAL, FDP und Linke zeigen sich auf Nachfrage des Abendblatts einig: Der Trend unter jungen Menschen entwickelt sich eindeutig wieder hin zu mehr Einsatzfreude in der Politik.

Ramon Weilinger (Schüler Union)

Sein oranges "Team Deutschland"-T-Shirt der CDU will Ramon Weilinger (17) bis zur Bundestagswahl nicht mehr ausziehen. "Man muss doch Farbe bekennen", sagt der Vorsitzende der Schüler Union Hamburg. In der Grundschule wollte er bereits Jurist werden, in der fünften Klasse las er abends im Bett das Grundgesetz, und in der zehnten Klasse kannte er die Hartz-IV-Gesetze besser als seine Politiklehrerin. Die Meinungen seiner Mitschüler sind geteilt: "Du wirst bald mal Bundeskanzler", heißt es oder auch "Ihh, du bist so ein junger CDU-Wähler." Sein großes Vorbild ist Helmut Kohl. Ins Wahllokal darf der 17-Jährige am kommenden Sonntag noch nicht gehen. "Es ist schade für Frau Merkel, sie hätte eine Stimme mehr bekommen."

Yannik Rother (Jusos)

"Helmut Schmidt fand ich schon immer cool", sagt Yannik Rother (16), der schon früh mit seinem Opa über Politik diskutierte. Nach einem Schulausflug in den Bundestag und Besuch des SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs wollte Yannik die Jusos näher kennenlernen, ging zu Mitgliederveranstaltungen. Die seien von Anfang an interessant und spannend gewesen. "Die perfekte Partei gibt es nicht, die müsste man selbst gründen", sagt Yannik, dem das Grundsatzprogramm der SPD aber am meisten zuspricht. Er warnt davor, sich nur auf das eigene Parteiprogramm zu konzentrieren, die anderen sollte man zumindest auch kennen. So würde er sich "gerne mal die andere Seite" ansehen und Guido Westerwelle (FDP) treffen.

Anna Rößing (Junge Liberale)

Sie ist noch nicht lange dabei. Ein Uno-Planspiel für Schüler im April dieses Jahres weckte bei Anna Rößing (16) das Interesse. "Dort waren viele interessante Menschen, die sich politisch engagiert haben. Das fand ich spannend und habe mir dann mehrere Parteiprogramme durchgelesen", sagt Anna. Sie entschied sich für die Jungen Liberalen, die Jugendorganisation der FDP. Der "Freiheitsgedanke" sei dafür ausschlaggebend gewesen. Umweltschutz und Menschenrechte spielen für die Schülerin des Gymnasiums Marion Dönhoff eine wichtige Rolle. "Beim Thema Klimawandel sind die Liberalen viel realistischer als andere Parteien." Vor der Wahl hat Anna noch zu tun: Sie wird Plakate kleben und Parteiveranstaltungen besuchen.

Malte Knigge (Grüne Jugend)

"Überall ist von der Finanzkrise die Rede, dass es aber auch eine Klimakrise gibt, gerät leider in Vergessenheit", sagt Malte Knigge (17) von der Grünen Jugend. Wer sich politisch nicht engagiere, über den werde entschieden. Den Entschluss, Mitglied der Grünen Jugend zu werden, traf er im letzten Jahr spontan. "Dort habe ich nette Leute getroffen und wurde schnell mit einbezogen". Regelmäßig trifft er sich auch mit Schülern aus anderen politischen Lagern. "Ich würde gerne mal die Kanzlerin auf einen Kaffee einladen und mit ihr über Politik plaudern", sagt der Schüler. Bis Sonntag ist sein Terminplan allerdings voll - für Malte heißt das, Plakate zu kleben und die letzten unentschlossenen Wähler für eine grüne Stimme zu gewinnen.

Bijan Tavassoli (Linksjugend Solid)

"Wir haben Verantwortung", sagt Bijan Tavassoli (17), "der kann nur gerecht werden, wer politisch aktiv ist". Ersten Kontakt zur Linksjugend hatte Bijan auf einer Friedensdemo. Mit 15 Jahren trat er der Linken bei, weil sie gegen Kriegseinsätze sei. Zwar kämpfe die Partei für Sozialismus, habe sich aber "mehr als deutlich" von der SED distanziert. "Vorwürfe, die anders lauten, sind für Jugendliche nicht glaubwürdig." Auch in der Schule ist seine rote Umhängetasche der Linken immer dabei, gefüllt mit Wahlkampfzetteln. Einsatz zeigen, das ist ihm wichtig. Bei einem Auftritt des Verteidigungsministers Franz Josef Jung (CDU) habe er "'Raus aus Afghanistan!" gerufen - "Sicherheitsleute drückten mich zu Boden, Handschellen klickten."