Als erstes CDU-geführtes Bundesland hat Hamburg am Mittwoch einer dauerhaften Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel zugestimmt - wenn Zweifel am weiteren sicheren Betrieb vorliegen.

Hamburg. Ein Novum, darin waren sich die Berichterstatter einig.

Entsprechend glücklich und zufrieden war die GAL-Fraktion. Hatte sie es doch geschafft, einen mehrheitsfähigen Beschluss mit dem schwarzen Koalitionspartner durchzusetzen. Dies sei ein Schritt auf dem Weg, die Realität zu verändern, hieß von den Grünen. Die Kritik der Linken, die GAL betreibe einen "Schmuse- und Schlingerkurs", wäre "eingeknickt" und habe sich von Wahlkampfaussagen verabschiedet, ließ GAL-Fraktionschef Jens Kerstan schon in der Debatte nicht gelten. "Hätten wir an unserer Maximalforderung nach einer sofortigen Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel festgehalten, hätten wir keinen mehrheitsfähigen Beschluss erreicht", sagte er. Von CDU-Mann Heiko Hecht war zu hören, es dürfe beim Betrieb "kein Risiko, nicht mal im Promillebereich" geben. Alles andere sei den Menschen nicht zu vermitteln.

All das mag in den Ohren vieler Hamburger und Nachbarn des Kernkraftwerks großartig klingen. Aber ist dieser Beschluss tatsächlich der Meilenstein, für den ihn die Koalition verkaufen will? Oder wird das Atomkraftwerk Krümmel und die damit verbundene Angst der Menschen vor einem atomaren Zwischenfall rund drei Wochen vor der Bundestagswahl nicht doch zum taktischen Spielball der Politik?

Politische Wünsche versus Realität

Sehen wir uns die Realität ein bisschen genauer an: Die Atomaufsicht liegt beim Land Schleswig-Holstein. Die CDU-Linie im nördlichen Nachbarland ist eindeutig - die Entscheidung über eine Stilllegung laufe nach Recht und Gesetz. Was sonst soll die zuständige Behörde auch sagen. Zurzeit läuft eine Prüfung zur Sicherheit des Reaktors. Aus sieben bis acht Prüfbereichen werden Fakten zusammengetragen. Erst wenn diese vorliegen, kann ein Jurist diese Fakten auswerten und rechtlich prüfen. Frühestens im Herbst werden Ergebnisse vorliegen, wahrscheinlicher ist Anfang 2010.

Und dann? Spielen wir die verschiedenen Möglichkeiten doch einmal durch. Die Atomaufsicht kommt zur Entscheidung, der Betreiber Vattenfall sei nicht mehr vertrauenswürdig. Hört man den Reden der Hamburger Fraktionen zu, ist dies längst der Fall und schon erwiesen. Immer wieder wird dies von Linken, GAL, SPD und auch CDU in der Hansestadt als möglicher Grund für die dauerhafte Abschaltung von Krümmel angeführt.

Tatsächlich ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass deshalb das Atomkraftwerk Krümmel stillgelegt wird. Selbst wenn Vattenfall wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit die Betriebslizenz entzogen würde, bleibt immer noch Mitbetreiber E.on, dem das Kernkraftwerk immerhin zu 50 Prozent gehört. Und an der Zuverlässigkeit dieses Betreibers besteht bisher kein Zweifel.

"Die Zukunft Krümmels wird nach der Wahl entschieden"

Noch unwahrscheinlicher ist der zweite Fall. Der nämlich, dass das Atomkraftwerk dauerhaft stillgelegt wird, weil Zweifel am sicheren Betrieb bestehen. Nach dem geltenden Atomgesetz ist eine Stilllegung aus diesem Grund nur dann möglich, wenn nicht behebbare Sicherheitsmängel nachgewiesen werden können. Dafür hat es selbst nach dem - nach Meinung von Experten deutlich schwerwiegenderen - Zwischenfall im Jahr 2007 keine Anhaltspunkte gegeben.

Einzige Möglichkeit, die dann noch bliebe, das Atomkraftwerk stillzulegen, wäre, das Atomgesetz umzuschreiben, die Spielregeln so zu ändern, dass Krümmel automatisch vom Netz gehen muss. Und das wäre dann wieder eine rein politische Entscheidung der Bundesparteien - derjenigen also, die nach dem 27. September die Regierung stellen werden.

Insofern hat Hamburgs GAL-Fraktionschef recht, wenn er sagt: "Die Zukunft von Krümmel wird bei der Bundestagswahl entschieden."

Was aber - um den Kreis wieder zu schließen - ist dann der Hamburger Beschluss wert, das Kernkraftwerk dauerhaft stillzulegen, wenn Zweifel am sicheren Betrieb bestehen? Es ist ein klares Bekenntnis einer Stadt, die, so zeigen es neueste Untersuchungen, nach einem schweren Reaktorunfall binnen drei Stunden evakuiert werden müsste. Andernfalls sind die Menschen der radioaktiven Strahlung ausgeliefert.

Ist es tatsächlich ein Novum? Dass ein solcher Antrag mit den Stimmen einer CDU-Fraktion verabschiedet wurde? Ja. Wirklich bedeutend würde dies aber nur dann, wenn dem Bekenntnis im Land Taten im Bund folgen würden.