Die Hälfte der Autofahrer fährt deutlich zu schnell, ergab ein Abendblatt-Test. Für die Polizei stehen die Gebiete nicht auf der Prioritätenliste.

Tempo 30 - und kaum einer bremst. Für viele Hamburger Autofahrer dienen entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzungs-Schilder in Wohngebieten und verkehrsberuhigten Zonen offenbar lediglich als Empfehlung. Verstöße gegen das Tempolimit gelten - wenn überhaupt - als Kavaliersdelikt. Gut die Hälfte der Autofahrer, das hatte eine Abendblatt-Radarmessung in zehn verschiedenen Tempo-30-Zonen ergeben, fährt deutlich zu schnell (wir berichteten).

Rund 700 Langsamfahrzonen gibt es schon jetzt in der Stadt. Bis zu 250 sollen nach dem Willen der Stadtentwicklungsbehörde und der Bezirke demnächst dazukommen. Zu viel für die Polizei, um dort durch Messungen und Streifen effektiv für eine Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit zu sorgen. Zumal reine Wohngebiete nicht auf der Prioritätenliste der Verkehrsdirektion stehen. Polizeisprecher Ralf Meyer: "Unsere Zielsetzung ist klar: Unfälle, vor allem mit den schwächsten Verkehrsteilnehmern, zu vermeiden." Laut Meyer kontrolliert die Polizei hauptsächlich an Unfallschwerpunkten und vor Schulen, Kindergärten und Seniorenwohnanlagen. Meyer: "Selbstverständlich gibt es auch Kontrollen in Wohngebieten. Wir reagieren auf Hinweise und Beschwerden von Anwohnern, prüfen die Situation vor Ort und messen gegebenenfalls auch die Geschwindigkeit." Die Kommissariate könnten zudem in eigener Zuständigkeit Messungen in ihrem Gebiet durchführen.

"Ganz offensichtlich reichen Schilder nicht, um Tempo-30-Zonen wirklich durchzusetzen", sagt SPD-Innenexperte Andreas Dressel zu den Messungen. Dressel: "Vor allem vor Schulen und Kindergärten müssen auch bauliche Veränderungen her. Nur so und durch die Einbeziehung von Schulkindern in die Kontrollen lernen Raser wirklich dazu." Die Behörden, so fordert Dressel, sollten bei der Genehmigung von Tempo-30-Zonen weniger zurückhaltend sein. Am Rügelsbarg in Bergstedt kämpfe eine Bürgerinitiative seit Jahren vergeblich dafür, dass die Straße Tempo 30 bekomme. Doch Stadtentwicklungs- und Innenbehörde hätten das bislang stets abgelehnt. Inzwischen steht die Straße immerhin auf der Vorschlagsliste, die derzeit von HVV und Innenbehörde überprüft wird.

Die GAL-Verkehrsexpertin Martina Gregersen appelliert auch an die Vernunft der Autofahrer: "Regeln sind dazu da, dass sie eingehalten werden. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmer. Bauliche Veränderungen in allen Tempo-30-Zonen sind schlicht nicht finanzierbar."