Die lange versprochene Umgestaltung verzögert sich erneut. Die meisten Bürger sind wütend - oder resignieren.

Kraftvoll bricht sich der Löwenzahn seinen Weg durch Beton zum Licht, eine Kletterpflanze schlängelt sich an ihm vorbei, daneben breitet sich ein sattgrüner Moosteppich aus. Doch was wie ein botanisches Kleinod aussieht, ist keine Idylle, sondern Teil eines großen Problems: Dieses Stück wilder Natur entwickelt sich mitten auf dem Rothenburgsorter Marktplatz. In den Räumen eines seit Jahren leer stehenden Geschäfts. "Wenn es regnet, läuft eine grüne Brühe aus den Häusern heraus", sagt Anwohner Harald Rohn sichtlich angewidert. Er fürchtet eine Gesundheitsgefahr und will seinem Unmut bei den Behörden Luft machen.

Eigentlich dürfte es diesen Wildwuchs nicht geben, denn längst sollte der Umbau des Marktes begonnen haben. Aber die Geschichte des Umbaus ist eine unendliche. Unendlich unzumutbar für den Stadtteil und seine Bewohner.

Länger als ein Jahrzehnt schon ziehen sich die Planungen hin, zwei Investoren sind allein seit 2006 abgesprungen. Vergangenes Jahr dann neue Hoffnung: Der Investor AVW Immobilien AG will 32 Millionen Euro investieren und Platz für Einzelhandel, Gastronomie, ein Seniorenheim, Ärzte und Wohnungen schaffen. Baubeginn sollte in diesem, die Fertigstellung im kommenden Jahr sein. Aber: neuer Investor, altes Problem. Die Stillstandsphase dauert weiter an.

Großer Verlierer der Umbau-Posse ist der Wochenmarkt. Schon im Januar musste er weichen, "um den Bauarbeiten Platz zu machen", wie es damals hieß. Nun liegt er einige 100 Meter entfernt, versteckt in der Stresowstraße. Seine Umquartierung kommt die Marktleute teuer zu stehen. Bis zur Hälfte ihrer Umsätze würden sie einbüßen, sagen sie. "Die gesamte Laufkundschaft ist weg", beklagt Gemüsehändler Ronald Wahlgren. Der Markt finde "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" statt, nicht einmal Hinweisschilder für den neuen Standort gebe es.

Der Grund für die erneute Verzögerung ist laut Lars Schmidt vom Bezirksamt Mitte "hoher Abstimmungsbedarf" mit AVW. Konkret geht es um die Nutzung des neuen Marktplatzes. Da dieser künftig zu einem Teil im Besitz des Investors und zum anderen weiter öffentlicher Grund ist, müssen Probleme wie die Haftung und die Bereitstellung der Infrastruktur für den Wochenmarkt geklärt werden. Lars Schmidt: "Dieser Fall ist ein Unikum in Hamburg, es gibt keine ähnlichen Fälle zur rechtlichen Orientierung." Wann es endlich losgeht mit dem Bau, ist weiter offen. Udo Wilhelm Schuster, AVW-Vorstand für Bau, will sich auf keinen Start-Termin festlegen und bemängelt den langsamen Verhandlungsfortschritt. Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der GAL in Hamburg-Mitte, unterstellt AVW, "Spielchen zu spielen". Alle strittigen Punkte seien zeitnah zu lösen, eher würde der Investor wohl wegen der wirtschaftlichen Lage auf Zeit spielen. Schuster weist diesen Vorwurf zurück. "Die Finanzierung steht. Mehr als 70 Prozent der Flächen sind bereits vermietet."

Ursula Jungklaus, seit 1963 auf dem Markt, berichtet, dass schon zwei Händler aufgegeben hätten. "Die konnten die Standgebühr nicht mehr bezahlen." Warum der Markt überhaupt verschwinden musste, versteht sie nicht: "Da ist doch noch nichts passiert." Das Schilderproblem hat sie kurzerhand eigenhändig gelöst und einen Aufsteller an der Durchgangsstraße platziert.

Die Stimmung auf dem Markt ist wütend. Wenn der Umbau Thema ist, werden die Bürger deutlich: von "Lug und Trug" und "Verarschung" ist dann die Rede. Es macht sich Resignation breit. Nach Jahren der Enttäuschung und dem erneuten Verzug glaubt hier kaum noch jemand an das neue Zentrum. Das Biotop entwickelt sich unterdessen weiter. Die Voraussetzungen dafür sind optimal: Durch die Fenster dringt viel Licht, das undichte Dach sorgt für eine gleichmäßige, tröpfchenweise Bewässerung.