In der Debatte um mögliche Informationspflichten privater Babyklappenbetreiber ist der Druck auf Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) höher als auf den kritisierten Verein SterniPark.

Es ist ein kalter Novemberabend in Altona, sieben Grad bei Hamburger Nieselregen, der langsam durch Mantel und Hose dringt. Gegen 22 Uhr taucht eine Person aus der Dunkelheit auf, öffnet eine Klappe aus Stahl wie die Tür eines Backofens und legt einen Säugling hinein.

Die Nabelschnur ist nicht richtig entfernt, vermutlich half kein Arzt bei der Geburt. Sensoren schicken einen Notruf, Minuten später treffen Helfer von SterniPark ein. Die Dunkelheit hat zu diesem Zeitpunkt die Person längst wieder verschluckt, die wohl Mutter des Kindes ist.

Dies ist eine der Geschichten, die sich aus dem Protokoll rekonstruieren lassen, das Altbürgermeister Henning Voscherau (SPD) als Notar im Auftrag des privaten Hamburger Babyklappenbetreibers SterniPark erstellt hat. Ausgesagt vom Vormund des Kindes, der weiß, dass es nun bei Pflegeeltern in Schleswig-Holstein lebt. Sie zeigt: Das System Kinderklappe funktioniert im Prinzip, verdeutlich aber auch, welche Verantwortung ihre privaten Betreiber haben. Denn eine öffentliche Stelle, das beansprucht SterniPark zum "Schutz der Anonymität der Mutter", erfährt von alldem zunächst nichts.

Auch wenn es anders scheint: In der Debatte um mögliche Informationspflichten privater Babyklappenbetreiber ist der Druck auf Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) höher als auf den kritisierten Verein SterniPark. Angenommen, etwas läuft schief bei der staatsfernen Bergung der Babys aus der Klappe, mit dramatischen Folgen für das Neugeborene. Ganz zu schweigen von Gerüchten, Babyklappen könnten einen lukrativen Handel mit Kindern auf dem angebotsknappen Adoptionsmarkt ermöglichen. Seit fünf Jahren ist CDU-Politiker Dietrich Wersich in leitender Position in der Behörde, zunächst als Staatsrat, nun als Präses. In dieser Zeit hat die Behörde die bundesweit einmalige Praxis - erst nach acht Wochen meldet SterniPark abgegebene Kinder - nicht moniert. Dass Verantwortung schnell beim Chef landen kann, spürte Wersich kürzlich im Fall der kleinen Lara. Das Mädchen aus Wilhelmsburg war unterernährt gestorben, obwohl es vom Allgemeinen Sozialen Dienst betreut wurde. Eine erbitterte Debatte über eine möglicherweise von der Behörde zugelassenen Überlastung der Mitarbeiter entbrannte.

Vielleicht ist Wersich deshalb nun aufmerksamer beim Thema Babyklappen. Wie unangenehm dem Senator dieser schwarze Fleck auf seinem Kontrollradar ist, zeigt sein Verhalten im Familienausschuss: Beharrlich gibt er Nicht-Antworten auf Fragen der Opposition, warum er von SterniPark erst seit Kurzem Transparenz fordert.

"Der Senator ist mit großem Geschrei in die Öffentlichkeit getreten, um von Versäumnissen abzulenken", sagt SPD-Sozialpolitiker Dirk Kienscherf (SPD). Unwahrscheinlich sei, dass der Senator erst aufmerksam wurde, als SterniPark in einer Pressemitteilung bekannt gab, dass 2008 vier Kinder in den Klappen abgegeben wurden.

Es ist nicht die erste Auseinandersetzung zwischen Behörde und dem von vielen Hamburger Prominenten unterstützten Verein, der sich nach Ansicht von Wersich "sehr autonom und nicht immer kooperativ" verhalte. So warf er SterniPark vor, im Fall einer Kita in Othmarschen andere Betreiber zu verdrängen - und steht damit nicht allein.

Sonnig klingt dagegen nun die Sprachregelung der SPD-Fraktion: Seit Voscherau die Aussagen von Müttern notariell beglaubigt hat, bestehe kein Grund mehr zur Sorge, Säuglinge seien verschwunden. Der Senator solle den Ruf des Vereins nicht beschädigen.

Sozialdemokrat Thomas Böwer mag sich dem nicht anschließen und fragt: Was geschah in der Nacht im November, als das Kind in Altona abgegeben wurde? In welchem Krankenhaus sei es überhaupt behandelt worden, und wie sei die Tatsache zu erklären, dass ein in Hamburg aufgefundenes Kind nach Schleswig-Holstein komme? SterniPark versichert, dass abgegebene Säuglinge grundsätzlich in einem Kinderkrankenhaus behandelt werden. Es gibt keinen Grund, das nicht zu glauben, dennoch: Böwers Nachfrage klingt messerscharf: "Und warum dürfen Mitglieder von SterniPark das Neugeborene abholen und mitnehmen, ganz ohne Papiere?"

SterniPark-Chef Jürgen Moysich sagt, dass nur die staatsferne Babyklappe eine Zusammenführung von Mutter und Kind zum Ziel habe. "Bei der städtischen Babyklappe erhält das Baby sofort einen Amtsvormund und wird in eine Adoptions-Familie verbracht." Aber geht es wirklich um Ideologien? Dafür ist von Politikern in diesen Tagen jedenfalls erstaunlich wenig Kritik am Konzept der Babyklappe laut geworden. Wer will schon, dass auch Neugeborene in der Dunkelheit verschwinden?