Das Rathaus in Hamburg und das Landeshaus in Kiel trennt eine Fahrstrecke von nur 98 Kilometern. Doch politisch liegen zwischen dem Stadtstaat an der Elbe und der Landeshauptstadt an der Förde Welten.

Während Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am Donnerstag mit Absicht die Vertrauensfrage im Landtag verlor und damit der Weg zu Neuwahlen am 27. September frei ist, gönnt sich das politische Hamburg die Sommerfrische oder hat mindestens zwei Gänge zurückgeschaltet. Mit einem Wort: Neben der hoch aufgeregten Krisenzone im Norden nimmt sich die Hansestadt derzeit wie ein Politik-Idyll aus.

Dabei teilen beide Länder eines der gravierendsten Probleme: das verzweifelte Ringen um die Sanierungsversuche der angeschlagenen HSH Nordbank mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen wie der 2,9-Millionen-Euro-Sonderzahlung für HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher. In Kiel haben die HSH-Belastungen in der Großen Koalition nun zum Ermüdungsbruch geführt. In Hamburg sind nicht einmal Haarrisse im schwarz-grünen Bündnis erkennbar.

Der Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch, dass auch an der Elbe durchaus um den richtigen Kurs hart gerungen wird, nur eben ohne öffentliche Keilerei. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und wie weit sich der Staat in die Privatwirtschaft einmischen soll und darf. Und da hat Hamburg neben dem Milliarden-Engagement bei der HSH Nordbank noch zwei weitere Eisen im privatwirtschaftlichen Feuer: Die Krise um die Traditionsreederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt mit 23 Prozent beteiligt ist, hat sich in dieser Woche dramatisch zugespitzt.

Bei der Sietas-Werft in Neuenfelde konnte die große Krise nur durch eine Bürgschaft in Höhe von 80 Millionen Euro abgewendet werden, auf deren Übernahme zu gleichen Teilen sich der Senat und der Bund ebenfalls in dieser Woche einigten. Bei Sietas können jetzt zwei Containerschiff-Neubauten auf Kiel gelegt werden.

Es ist vor allem der Problemfall Hapag-Lloyd, der inzwischen für Stirnrunzeln in der schwarz-grünen Koalition sorgt. Dabei macht in erster Linie der Juniorpartner GAL klar, dass für ihn die Grenze des staatlichen Engagements nahe gerückt ist. GAL-Fraktionschef Jens Kerstan hatte zu Wochenbeginn erklärt, die Stadt sei nicht bereit, Hapag-Lloyd "allein aus der Patsche" zu helfen. Auch die privatwirtschaftlichen Gesellschafter von Hapag-Lloyd stünden in der Pflicht. Dazu zählt neben dem früheren Alleinbesitzer TUI das Konsortium Albert Ballin mit der Warburg-Bank, der HSH Nordbank, den Versicherungen Signal-Iduna und Hanse-Merkur, dem Unternehmer Klaus-Michael Kühne und eben der Stadt.

Das Unternehmen mit Sitz am Ballindamm benötigt kurzfristig 300 Millionen Euro, um zahlungsfähig zu bleiben. Dazu soll der 25-Prozent-Anteil von Hapag-Lloyd am Containerterminal Altenwerder an die Gesellschafter verkauft werden. Die GAL drängte darauf, dass sich die Stadt nicht über ihren 23-Prozent-Anteil an Hapag-Lloyd hinaus engagiert. Offensichtlich gab es bei den privaten Gesellschaftern genau diese Erwartung. "Es gibt nur eine gemeinsame Lösung. Diese Botschaft ist angekommen", sagte Kerstan zufrieden.

Eigentlich sah der Rettungsplan für Hapag-Lloyd ganz anders aus: Der Altenwerder-Anteil sollte beliehen werden. Doch das Bankenkonsortium, mit dem bereits ein unterschriftsreifer Vertrag ausgehandelt war, sprang im letzten Moment ab. Möglicherweise hat dabei auch eine Rolle gespielt, dass sich Hapag-Lloyd-Miteigentümer Klaus-Michael Kühne in Interviews mehrfach sehr skeptisch zur Zukunft von Hapag-Lloyd geäußert hat.

Vielleicht hat ja auch das nicht direkt geschäftsfördernde Verhalten von Kühne zu einer gewissen Halsstarrigkeit bei den Grünen geführt. "Wenn Jungs in Nadelstreifen kommen, dann sind wir nun mal nicht so gestrickt, dass wir die Hacken zusammenschlagen", sagt Kerstan flapsig. Aber die Grünen seien auch traditionell eine eher staatskritische Partei, also gegen allzu viel Staatseinfluss. "Wir treten stärker auf die Bremse, während die beiden großen Parteien vom Rettungsfieber beseelt sind", analysiert der GAL-Fraktionschef, der sich offensichtlich durchsetzen konnte.

Die CDU und Finanzsenator Michael Freytag zogen letztlich mit. Nicht nur das: Auch die SPD-Opposition hat Zustimmung zur Hapag-Lloyd-Hilfe signalisiert. Sollte Hamburg wirklich ein Politik-Idyll sein?