“Mein Junge, du musst noch einiges lernen, um in Hamburg Verantwortung zu übernehmen. Von hanseatischem Kaufmannsgeist verstehst du jedenfalls nichts.“

Gerade eineinhalb Jahre ist es her, dass Bürgermeister Ole von Beust im Wahlkampf die Finanzkompetenz seines SPD-Kontrahenten Michael Naumann ganz unhanseatisch infrage stellte. Wie sehr das damals bei der CDU en vogue war, unterstrich Finanzsenator Michael Freytag kurz darauf: Er nahm sich die SPD-Wahlversprechen vor und konstatierte: "Naumann verspricht Freibier für alle und beweist mal wieder, dass Sozialdemokraten nicht mit Geld umgehen können." Umfragen stützten die Stammtischthese: Der CDU wurde Wirtschafts- und Finanzkompetenz attestiert, der SPD nicht, dafür aber ein Sinn fürs Soziale.

Doch die klassische Rollenverteilung wankt, nicht selten steht nun die CDU selbst am Freibier-Pranger. So am Dienstag, als Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk einräumte, dass der ZOB Bergedorf nicht 20, sondern 40 Millionen Euro kosten wird. Die Planung, das ließ die GAL-Politikerin anklingen, habe sie aber von ihren CDU-Vorgängern übernommen: dem heutigen Finanzsenator Freytag und dem heutigen Wirtschaftssenator Axel Gedaschko.

Schon am Mittwoch ging es wieder ums liebe Geld: Hajduk stellte die Pläne für die Stadtbahn vor, 2012 soll Baubeginn sein, 2014 soll die Tram rollen. Aber Kosten? Kein Kommentar! Tags darauf nannte die Behörde immerhin eine Spannbreite von zehn bis 20 Millionen Euro pro Kilometer. Mithin geht es um 150 bis 300 Millionen Euro insgesamt. Hajduks Geheimniskrämerei verwundert, denn Kostenschätzungen standen bereits im Frühjahr 2008 in einem koalitionsinternen Papier, und in der Finanzplanung des Senats sind bis 2014 exakt 121,7 Millionen eingestellt. Der Vorwurf, etwas lax mit dem Geld der Bürger umzugehen, schadet jedoch weniger der GAL - die jubelt über die Durchsetzung eines ihrer Lieblingsprojekte. In der CDU, nach eigenem Verständnis die Finanzpartei, breitet sich die Sorge aus, den guten Ruf zu verspielen. Nachdem die christdemokratische Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach Anfang Juni mit der Drucksache zum Bau der HafenCity-Universität (HCU) beim Rechnungshof abgeblitzt war, soll es in der CDU-Fraktion schon den Hinweis gegeben haben, die eigenen Senatoren doch bitte zu seriöser Finanzplanung anzuhalten. "Den Ruf: ,Die können nicht mit Geld umgehen' würden wir gern der SPD überlassen", sagt ein Abgeordneter.

Die Vorgabe macht Sinn, denn die Liste der bevorstehenden Prüfungen ist lang. Ob Leihfahrradsystem, Stadtwerke, Schulreform oder Auswirkungen der HSH-Nordbank-Krise - bei vielen Großbaustellen ist noch nicht absehbar, welche Kosten wirklich für die Stadt entstehen. Einer schriftlichen Anfrage der SPD-Abgeordneten Thomas Böwer und Peter Tschentscher, wie sich die Kosten bei Projekten oberhalb der Millionengrenze entwickeln, begegnete der Senat am Dienstag einsilbig: Die Beantwortung sei mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Eine weitere Anfrage von Tschentscher zu Kosten von Koalitionsvorhaben wird wohl ähnlich knapp beantwortet - also im Prinzip gar nicht. Kein Wunder: Die Finanzkrise hat den Traum von der Haushaltssanierung platzen lassen, die Elbphilharmonie-Kosten sind aus dem Ruder gelaufen, dazu jetzt auch noch Stadtbahn, ZOB, HCU und HSH - mehr Munition möchte man der SPD nicht liefern. Die hatte sich nach der berechtigten Kritik an den mitunter faktenfreien Naumann-Vorträgen vorgenommen, den Spieß umzudrehen - und ist selbst verwundert, wie CDU und GAL ihr unfreiwillig zuarbeiten. "Das Hauptproblem scheint mir die fehlende Planungskompetenz in den Fachbehörden zu sein", sagt selbst ein Mitglied des CDU-Landesvorstands. "Früher konnte man sich auf Drucksachen des Senats verlassen, heute muss man hinter jede Zahl ein Fragezeichen machen." Das habe aber nichts mit der Finanzkompetenz der CDU zu tun. Mit hanseatischem Kaufmannsgeist allerdings auch nicht.

Finanzsenator Freytag würzte die Lage am Montag sogar unbeabsichtigt mit einer Prise Komik: Seinen Rückzug aus dem Aufsichtsrat der HSH Nordbank und dessen Neubesetzung bejubelte er mit den Worten:

"Dies wird der beste Aufsichtsrat, den die HSH Nordbank je hatte."