Geradlinigkeit und Kurshalten zählen in der Politik zum Kanon der positiven Charaktereigenschaften. Doch manchmal kann eine überraschende Kehrtwende nötig sein, um das politische Überleben zu sichern. Ein schönes Beispiel für den flexiblen Umgang mit den eigenen Positionen lieferte in dieser Woche Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU).

Lange waren die Senatorin und ihre Universitäts-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz gleichsam die politischen Zwillinge des Hochschulwesens. Ob es um den umstrittenen Umzug der Uni auf den Kleinen Grasbrook oder die zahlreichen Reformen rund um den Campus ging - Gundelach und Auweter-Kurtz zogen an einem Strang. Die beiden eher etwas spröde wirkenden Frauen verstanden sich darüber hinaus offensichtlich auch persönlich recht gut.

Doch als der Protest gegen die Amtsführung von Auweter-Kurtz immer stärker anschwoll und die Rücktrittsforderungen an ihre Adresse aus den Reihen der Professoren immer zahlreicher wurden, stand Gundelach plötzlich vor der Solidaritätsfrage: Flüchten oder Standhalten? Letzteres hätte die Christdemokratin selbst mit in den Strudel reißen können, der Auweter-Kurtz nun hinabzieht.

"Es geht um das Wohl der Universität."

Die Antwort gab die Senatorin am Mittwoch in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft. In ihrer Rede benannte Gundelach die Kritik an Auweter-Kurtz, verteidigte sie aber nicht mehr. Stattdessen forderte die Senatorin die Dekane und Professoren auf zu erklären, ob sie bereit wären, der ungeliebten Präsidentin eine zweite Chance zu geben. Das Nein nahm Gundelach quasi schon vorweg. "Es geht nicht um Personen, sondern um das Wohl der Universität." Damit war das Schicksal von Auweter-Kurtz besiegelt. Die Politik hatte sich von der Strauchelnden abgewandt.

Gundelach verschafft der bevorstehende Abgang der Uni-Präsidentin eine Atempause. Politisch geschwächt ist die Senatorin gleichwohl. Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sich unter ihrer Ressortverantwortung eine Putschatmosphäre an der Uni aufgebaut hat wie seit 30, 40 Jahren nicht mehr. Es wird Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis die aufgerissenen Gräben wieder zugeschüttet sind.

Es ist falsch, den Sturz von Auweter-Kurtz als "Bauernopfer" zu bezeichnen. Die Präsidentin übernimmt mit ihrem Rückzug die Verantwortung für eigene Fehler. Aber es ist die vordringliche Aufgabe der Senatorin, dafür zu sorgen, dass der "Laden" wieder läuft. Dazu zählt in erster Linie, möglichst schnell eine überzeugende Nachfolge an der Spitze der Universität zu etablieren.

Gundelach hilft dabei, dass sie weiterhin die Unterstützung und das Vertrauen von Bürgermeister Ole von Beust hat, was einer politischen Lebensversicherung gleichkommt, zumal ihr Rückhalt in der Unions-Fraktion nicht allzu groß ist. Erst vor drei Wochen hatten Unions-Abgeordnete dafür gesorgt, dass die Gundelach-Drucksache zum Bau der HafenCity-Universität (HCU) im Haushaltsausschuss zunächst einmal angehalten worden war - ein Warnschuss. Trotz der bürgermeisterlichen Rückendeckung ist es aber nicht übertrieben zu sagen, dass Gundelach jetzt vor einer Bewährungsprobe steht. Einen Flop beim Krisenmanagement an der Uni und bei der Besetzung der Top-Personalie darf sie sich nicht leisten.

Das wird schwer genug. Schon vor der Berufung von Auweter-Kurtz 2006 - noch unter der Verantwortung des parteilosen Gundelach-Vorgängers Jörg Dräger - standen die Bewerber nicht Schlange. Die Attraktivität des Postens dürfte jetzt weiter deutlich gelitten haben. Schließlich: Das Verfahren bis zur Wahl eines Nachfolgers ist kompliziert. Möglicherweise wird es bis weit ins nächste Jahr hinein dauern, bis ein neuer Präsident oder eine Präsidentin im Amt ist.

Diese absehbare Hängepartie hat für Gundelach eine unangenehme Begleiterscheinung: Ihr politischer Gestaltungsspielraum ist erheblich eingeschränkt. Wichtige hochschulpolitische Projekte, die die schwarz-grüne Koalition sich vorgenommen hat, werden ins Stocken geraten. Das gilt vor allem für den auch im Bündnis hoch umstrittenen Umzug der Uni.

Die Reformen dürften erst einmal auf Eis liegen.

Die von Gundelach proklamierte angeblich "ergebnisoffene" Prüfung der unterschiedlichen Varianten von Sanierung und Neubau am Standort in Eimsbüttel bis hin zur Komplettverlagerung auf den Kleinen Grasbrook wird sich nun in die Länge ziehen. Ohne einen neuen Präsidenten wird eine für die Uni derart wegweisende Entscheidung kaum getroffen werden. Und manchen in der Koalition wird der Aufschub sogar freuen, lässt sich doch so manch innerparteilicher Ärger ersparen. Auch das Wissenschaftsförderungsgesetz, das die internen Reformen vorantreiben soll, dürfte erst einmal auf Eis liegen.

Mit anderen Worten: Viel wird in der Hochschulpolitik bis zur nächsten Wahl nicht mehr passieren.