Den Tag, an dem aus einem unguten Gefühl die schreckliche Wahrheit wurde, wird Traute M. (51) nie vergessen. Nie den Moment, in dem sich das Leben ihrer Familie für immer veränderte.

Der bis heute jeden Augenblick von ihnen allen bestimmt. Vier Jahre ist es her, dass die schwere Krebserkrankung bei ihrem Mann Gerhard M. (49) festgestellt wurde, und doch scheint es wie gestern, wenn sich Traute M. zurückerinnert. "Ich habe schon längere Zeit gemerkt, dass mit ihm etwas ganz und gar nicht stimmt", sagt sie heute. "Dass er ernsthaft krank sein muss." Genau erklären kann die gelernte Krankenschwester ihre Ahnung nicht, "aber sie war einfach da".

Seit diesem Tag bestimmt die Krankheit das Leben der fünfköpfigen Familie. Und die Gewissheit, dass der Vater und Ehemann nie geheilt werden kann. "Diese Blutkrebsform ist ganz besonders aggressiv", sagt Traute M. Unzähligen Therapien musste sich ihr Mann bereits unterziehen, immer mit dem Ziel, Zeit zu gewinnen. Mit der Hoffnung, möglichst lange am Leben seiner Kinder teilhaben zu können.

Auch Hauke (13), Lena (17) und Anne (21) verfolgen jetzt bereits seit vier Jahren die Krankheit und ihren gnadenlosen Verlauf. Müssen mit ansehen, wie der Krebs ihren Vater mehr und mehr zeichnet. "Wir haben uns von Anfang an bemüht, mit den Kindern offen umzugehen", sagt Traute M. "Sie waren alt genug, um das zu verstehen." Dennoch weiß auch sie, welche Last die drei bereits in jungen Jahren tragen müssen. "Die Mädchen können damit schinbar besser umgehen, Hauke ist seit etwa einem Jahr bei der Stiftung Phönikks."

Hier in der Einrichtung am Mittelweg versucht Therapeut Thomas vor der Horst, ein Ansprechpartner für den Jungen zu sein. "Unsere Treffen bringen Spaß, es tut gut, mit jemandem reden zu können", sagt Hauke. "Ich freue mich immer wieder auf diese Stunde." Auch seine Eltern Traute und Gerhard M. erhalten mittlerweile psychologische Betreuung in der Einrichtung.

Die Stiftung Phönikks wurde 1986 von Christl Bremer gegründet. Die engagierte Hamburgerin wollte krebskranken Kindern und ihren Familien mit einer ambulanten psychosozialen Einrichtung helfen. "Zu der Zeit war diese Form der Unterstützung absolut neu", sagt sie. "Mir ging es darum, die kleinen Patienten und ihre Eltern bei der Verarbeitung der Erlebnisse zu unterstützen." Nicht nur die Patienten selbst, die ganze Familie sei durch die Erkrankung extrem belastet. Vor genau 20 Jahren entstand dann die Beratungsstelle am Mittelweg. Wegen des großen Bedarfs weiteten Christl Bremer und ihr Team die kostenfreie Hilfe schnell auch auf Familien aus, in denen ein Elternteil erkrankt ist. Selbst über den Tod hinaus werden bei Phönikks heute Angehörige betreut. Jährlich sind es insgesamt rund 300 betroffene Familien, die hier Hilfe suchen.

Die Stiftung finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Und so spüren auch Christl Bremer und ihre Mitarbeiter die Folgen der Wirtschaftskrise. "Die Spenden sind deutlich zurückgegangen", so Bremer. "Und wir wissen nicht, wie es sich in den kommenden Monaten und im nächsten Jahr entwickelt." Sie ist besorgt. "Schließlich ist die kostenfreie Hilfe der Grundstein unserer Arbeit." Die betroffenen Familien seien durch die Krankheit zumeist finanziell belastet und nicht in der Lage, für die Betreuung zu bezahlen.

So wie Traute M. und ihre Familie. Seitdem Gerhard M. nicht mehr als Unternehmensberater tätig sein kann, arbeitet die gelernte Krankenschwester wieder. "Eine teure psychologische Behandlung könnten wir uns nicht leisten", sagt sie. Dabei habe sich die Einrichtung der Stiftung Phönikks zu einer ganz besonders wichtigen Stütze entwickelt. "Es ist ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass wir immer hierherkommen können", so die Frau mit den kurzen, grauen Haaren. "Denn es gab immer wieder Momente, in denen wir nicht weiterwussten und Hilfe brauchten."