Mehr als zwei Jahre liegt der “Stimmzettel-Klau“ in der Hamburger SPD schon zurück. Aber die Affäre um den Sturz von Parteichef Mathias Petersen und dessen gescheiterte Bürgermeisterkandidatur lässt die Partei bis heute nicht los.

Wie der "Spiegel" jetzt berichtet, soll Parteisprecher Bülent Ciftlik drei unterschiedliche Angaben darüber gemacht haben, bis wann er sich am 24. Februar 2007, dem Tag vor der Stimmenauszählung, in der Parteizentrale aufgehalten hat. Darauf habe der von der SPD beauftragte Rechtsanwalt Rolf-Dieter Klooß - selbst SPD-Bürgerschaftsabgeordneter - die Staatsanwaltschaft am 14. Juni 2007 hingewiesen.

Dass Ciftlik selbst etwas mit dem Verschwinden der Stimmzettel zu tun hat, wird nicht behauptet. Aber der "Spiegel" zitiert auch aus dem internen SPD-Ermittlungsbericht, wonach der Zugriff auf die Urne "Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten" im Kurt-Schumacher-Haus erforderte. Ciftlik betrachtet die Enthüllungen daher als Vorwurf gegen seine Person und wehrt sich vehement dagegen: "Es gibt nichts, was einen Tatverdacht gegen mich begründet", sagte der 37-Jährige dem Abendblatt. "Ich werde jetzt Einblick in die Ermittlungsberichte beantragen."

Petersen, der heute einfacher Bürgerschaftsabgeordneter ist, hält die Veröffentlichung des SPD-internen Berichts, den die Parteispitze zurückhält, für nach wie vor erforderlich. "Nur volle Transparenz kann Grundlage dafür sein, dass sich die SPD mit sich selbst und der Stadt versöhnt", sagte Petersen dem Abendblatt. Ein Rechtsanwalt hatte in der vergangenen Woche im Auftrag Petersens Einblick in die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten genommen. Die Anklagebehörde hatte das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt allerdings eingestellt.

Im Februar 2007 sollten die SPD-Mitglieder darüber abstimmen, wer ein Jahr darauf als Herausforderer von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) antritt: Parteichef Mathias Petersen oder seine Stellvertreterin Dorothee Stapelfeldt. Der Befragung war ein monatelanger parteiinterner Zwist vorausgegangen. Auf dessen Höhepunkt hatten fünf von sieben Kreischefs Petersen die Gefolgschaft verwehrt. Auch der Landesvorstand sprach dem Mediziner aus Altona daraufhin mit 13 zu zehn Stimmen das Misstrauen aus und präsentierte gleichzeitig Stapelfeldt als Bürgermeisterkandidatin. Da sich Petersen, Nachfahre mehrerer Bürgermeister, nicht freiwillig zurückziehen wollte, einigte man sich auf seinen Vorschlag, die Parteibasis zu befragen.

Dann der Skandal: Die Stimmauszählung am 25. Februar ergab, dass 930 Briefwahlstimmen verschwunden waren - offenbar gestohlen aus einer versiegelten Urne. Der gesamte Landesvorstand trat daraufhin zurück, Petersen und Stapelfeldt verzichteten beide auf die Bürgermeisterkandidatur. Die wurde dem Kulturexperten Michael Naumann übertragen, der den gewünschten Regierungswechsel jedoch nicht herbeiführen konnte.

Trotz der annullierten Wahl ordnete der Landesvorstand an, die noch vorhandenen Stimmen auszuzählen. Dabei kam heraus, dass Petersen die Abstimmung sicher gewonnen hätte. Auch ohne die geklauten Stimmen lag der damalige Parteichef uneinholbar vorn und wäre also Bürgermeisterkandidat der SPD geworden. "Die Sache ist von gestern und nicht mehr abänderbar", sagt Petersen heute. Aber er räumt auch ein, dass der "Schlag gegen mich" aus der Partei ihn tief verletzt und sein Vertrauen erschüttert habe.