Anwohner am Hemmingstedter Weg starten Bürgerbegehren gegen Projekt “Wohnen am Ziegelteich“ - Investor sucht das Gespräch.

Altona. Im Streit um den geplanten Bau von 235 Wohnungen am Hemmingstedter Weg haben sich die Fronten verhärtet. Während Anwohner jetzt ein Bürgerbegehren in die Wege leiten wollen, erhöht die Finanzbehörde den Druck auf den Bezirk Altona, ein Bauplanverfahren einzuleiten. Der Investor kündigte unterdessen an, er wolle den Anwohnern das Bauprojekt vorstellen. Daraufhin entschied der Planungsausschuss der Bezirksversammlung, das Thema in der kommenden Woche nicht zu behandeln. Jetzt soll das Gremium sich erst im August damit beschäftigen.

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"Wir haben uns am Freitag mit dem stellvertretenden Bezirksamtsleiter von Altona getroffen", sagte Dirk-Peter Lühr, eine der drei Vertrauenspersonen der Anwohner. Dabei sei es um ein Bürgerbegehren gegangen, das sich gegen den Bau der Wohnungen richtet. Nach Lührs Worten soll es dem Senat durch das Bürgerbegehren schwerer gemacht werden, das Projekt an sich zu ziehen ("evozieren"). "Wir wollen alle Wege nutzen, das Projekt zu bremsen."

Trotz des Widerstands der Anwohner wird sich die Senatskommission für Stadtentwicklung in der kommenden Woche mit dem Projekt beschäftigen. In einem Antrag von Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), der dem Abendblatt vorliegt, wird die Kommission gebeten, das Bezirksamt Altona mit der Prüfung des Projekts zu beauftragen. Außerdem soll der Bezirk aufgefordert werden, der Senatskommission zum 31. Oktober 2012 zu berichten. "Die Finanzbehörde versteht das als dringliche Aufforderung an den Bezirk, bis zum Herbst Planrecht zu schaffen", sagte ihr Sprecher Daniel Stricker. Hintergrund ist die Möglichkeit des Senats, auch gegen den Willen von Bezirk und Anwohnern das Wohnungsbauvorhaben umzusetzen.

Das Projekt "Wohnen am Ziegelteich" war 2010 bei einem Ideenwettbewerb der Finanzbehörde entstanden, ist aber seitdem umstritten. Der Bezirk fühlte sich übergangen, weil die Planungen an ihm vorbeiliefen. Anwohner wiederum sehen durch den Bau von 235 Wohnungen den vom ehemaligen Bausenator Gustav Oelsner (1879-1956) geschaffenen Grüngürtel von Eidelstedt bis zur Elbe gefährdet. Die Grünverbindungen sollten es ermöglichen, dass Menschen sich ungestört von Straßenverkehr auf Fuß- und Radwegen innerhalb der Stadt bewegen könnten, heißt es in dem Entwurf für das Bürgerbegehren.

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Bislang beherbergt die rund 93 000 Quadratmeter große Fläche eine Sportanlage mit acht Sport- und Tennisplätzen. Zudem steht dort das Zentrum für Schulbiologie und Umwelterziehung (ZSU). Nach den letzten bekannt gewordenen Plänen soll etwa ein Drittel der Fläche für den Bau der Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. In der Folge müsste das Bildungszentrum umziehen. Zwei Sportplätze fielen weg.

Ein Umzug des Zentrums für Schulbiologie und Umwelterziehung sei jedoch nicht sinnvoll, heißt es in dem Entwurfstext für das Bürgerbegehren weiter. Für Schulklassen sei die Nähe zur S-Bahn genauso wichtig wie "die direkte Nachbarschaft zum Botanischen Garten". Nur so könne ein enger Austausch mit den dort befindlichen Instituten der Universität gewährleistet werden. Das ZSU wird jährlich von rund 14.000 Schülern, Lehrern und Familien besucht. Ein möglicher Umzug in die Förderschule Böttcherkamp würde nach Einschätzung der Schulbehörde rund fünf Millionen Euro kosten.

Ursprünglich sollte das Bauprojekt ein Thema auf der für den kommenden Mittwoch anberaumten Sitzung des Planungsausschusses der Bezirksversammlung sein. Mit der Verschiebung in den August wolle man dem Investor Zeit geben, mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen, sagte Ausschusschef Mark Classen am Freitag. "Man muss ausloten, was geht." Bislang finde die Debatte lediglich auf der Basis von Gerüchten statt. Classen mahnte, in der Auseinandersetzung die Interessen der Sportvereine nicht zu vernachlässigen. Der Investor hat offenbar zugesagt, die Sportstätten zu modernisieren, sollte er das Bauprojekt umsetzen können.

Hintergrund des Streits sind die anspruchsvollen Wohnungsbaupläne des SPD-Senats. Bürgermeister Olaf Scholz hat versprochen, dass in Hamburg jedes Jahr rund 6000 Wohnungen errichtet werden. Um das Ziel zu erreichen, wurde mit den Bezirken und der Wohnungswirtschaft das "Bündnis für das Wohnen" geschlossen. Zudem erhielten die Bezirke mehr Befugnisse.

Offenbar fürchtet die Stadt jetzt, die Zielmarke nicht zu erreichen - auch weil Bürgerinitiativen sich vermehrt gegen Bauprojekte wenden. Über den Weg der Evokation kann die Stadt mit der Begründung, es handele sich um ein "übergeordnetes Ziel", Bauprojekte auch gegen den Willen von Bezirk und Anwohner umsetzen. Erst unlängst hatte Scholz im Gespräch mit dem Abendblatt wiederholt, dass der Wohnungsbau höchste Priorität für ihn habe.