Alle Verträge und Akten werden ins Internet gestellt. Offenlegungsrecht auch für Verträge, die in der Vergangenheit geschlossen wurden.

Hamburg. Für den Umgang mit öffentlichen Akten und Dokumenten ist es ein historischer Tag: Wenn die Bürgerschaft heute mit den Stimmen aller fünf Fraktionen das Transparenzgesetz beschließt, dann nimmt Hamburg bundesweit eine Vorreiterrolle bei der Information der Bevölkerung über Entscheidungen, Planung und Organisation von Politik und Verwaltung ein.

Das Amtsgeheimnis, über Jahrhunderte fester Bestandteil behördlichen Selbstverständnisses, wird in Hamburg praktisch abgeschafft. Herzstück der neuen Regelung ist ein Informationsregister im Internet, in das eine Fülle von Materialien und Verträgen eingestellt werden soll und per Mausklick aufgerufen und gelesen werden kann. Bislang gab es nur ein Recht der Bürger auf Information und Auskunft; künftig gibt es die Pflicht der Verwaltung, von sich aus die Daten ins Netz zu stellen.

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Folgende Dokumente sind unter anderem in Zukunft öffentlich zugänglich: Senatsbeschlüsse, Haushalts- und Stellenpläne der Behörden, Fachanweisungen, Verwaltungsvorschriften, Dienstanweisungen, amtliche Statistiken, von Behörden in Auftrag gegebene Gutachten und Studien, Bauleit- und Landschaftspläne, Subventions- und Zuwendungsvergaben, Messungen über schädliche Umwelteinwirkungen, Teile von Baugenehmigungen sowie Unternehmensdaten städtischer Gesellschaften einschließlich der Vorstandsgehälter. Veröffentlicht werden auch Behördenverträge zur sogenannten Daseinsvorsorge, die die Ver- und Entsorgung, den öffentlichen Nahverkehr, Bildungs- und Kultureinrichtungen und die Krankenhäuser betrifft. Eingeschränkt wird die umfassende Pflicht zur Information durch den Schutz personenbezogener Daten sowie die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Das Transparenzgesetz legt auch ein Offenlegungsrecht für Verträge der Stadt fest, die in der Vergangenheit geschlossen wurden. So können zum Beispiel die Verträge über den Bau der Elbphilharmonie jedenfalls grundsätzlich auf Antrag eingesehen werden.

"Das Gesetz ist ein großer Erfolg für mehr Bürgerbeteiligung und ein klares Signal gegen Politikverdrossenheit", sagte SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Andreas Dressel. "Das ist ein Quantensprung auf dem Weg zur offenen Gesellschaft", sagte Gregor Hackmack von Mehr Demokratie. Der Verein hatte mit Transparency International und dem Chaos Computer Club 2011 eine erfolgreiche Volksinitiative für ein Transparenzgesetz gestartet. Farid Müller (GAL) sprach von einem "großen Schritt nach vorn": Tausende Akten würden nun ins Netz gestellt.

In wochenlangen Verhandlungen haben sich Bürgerschaft und Initiative auf den Kompromiss verständigt, der in drei Monaten Gesetzeskraft erlangen soll. Im Gegenzug verzichtet die Initiative auf das Volksbegehren und den möglichen Volksentscheid.

"Das Ergebnis ist eine ungewöhnliche, aber sehr pragmatische Beteiligung der Bürger", sagte die CDU-Rechtspolitikerin Viviane Spethmann. Das Gesetz bedeute einen "völligen Wandel" und verschaffe Bürgern mehr Einblicke in die Verwaltung. Spethmann und der Steuerzahlerbund kritisierten aber, dass die finanziellen Folgen nicht berechnet worden seien. Die Handelskammer rügte "das überstürzte Gesetzgebungsverfahren" scharf. Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz nannte das im Gesetz vorgesehene Sonderkündigungsrecht der Stadt nach Vertragsschluss "inakzeptabel". Künftig soll bei städtischen Verträgen eine 30-Tage-Frist gelten, innerhalb derer der Senat vom Vertrag zurücktreten kann, etwa wenn der Protest zu groß ist. "Das schafft Rechtsunsicherheit für die Vertragspartner", sagte Schmidt-Trenz.