Ex-Wissenschaftssenator Jörg Dräger diskutiert heute Abend an der Bucerius Law School mit Schulsenator Rabe über das Thema Bildung.

Hamburg. Über Hochschulpolitik wollte Ex-Wissenschaftssenator Jörg Dräger weniger gern sprechen. Lieber über Bildung an Kitas und Schulen. Darüber diskutiert Dräger als Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung heute an der Bucerius Law School, unter anderen mit Schulsenator Ties Rabe (19 Uhr, Anmeldung unter www.law-school.de ). Von 2001 bis 2008 war der parteilose Politiker Wissenschaftssenator, von 2004 bis 2006 zudem Senator für Gesundheit. Unter ihm wurden die Bachelor- und Masterabschlüsse sowie die Studiengebühren eingeführt.

Hamburger Abendblatt: Herr Dräger, haben Sie schon Sozialsenator Detlef Scheele gratuliert?
Jörg Dräger: Nein, habe ich noch nicht.

Aber er hat die Kitagebühren-Erhöhung zurückgenommen - Sie fordern stärkere Investitionen in den Bildungsbereich. Ist das nicht nach Ihrem Geschmack?
Dräger: Jein. Richtig ist, dass wir mehr in den frühkindlichen Bereich investieren müssen. Das schafft Chancengerechtigkeit. Aber: Mehr Kitaplätze und bessere Qualität sind wichtiger als eine Gebührensenkung für die gehobene Mittelschicht. In Dänemark gehen 70 Prozent der unter Dreijährigen in die Kita, in den neuen Ländern 50 Prozent und in Hamburg keine 30.

Die Zahlen haben aber gezeigt, dass auch Familien mit mittleren Einkommen von den Erhöhungen betroffen sind.
Dräger: Kindern tut Kita gut, doch am meisten profitieren Kinder von Eltern mit bildungsfernem Hintergrund. Deshalb müssen finanzielle Barrieren für diese Gruppen abgebaut werden.

Aber vielleicht wollen Sie Bürgermeister Olaf Scholz gratulieren - er hat angekündigt, dass künftig jeder Schulabgänger in Hamburg einen Ausbildungsplatz bekommen soll.
Dräger: Das ist der richtige Weg, wir brauchen in Deutschland eine Ausbildungsgarantie. Die Frage ist nur: Wo kommen die Ausbildungsplätze her? Die Plätze aus der Wirtschaft werden nicht reichen - wir müssen deshalb zusätzlich staatlich verantwortete Ausbildungsplätze bereitstellen.

Welche ist bildungspolitisch die größte Herausforderung für Hamburg?
Dräger: Der Umgang mit der Heterogenität. Das Hamburger Schulmodell - Stadtteilschulen und Gymnasien - ist ein gutes, doch beide Formen müssen sich auf individuelles Lernen einstellen. Wir müssen die unterschiedlichen Leistungsniveaus, Lerngeschwindigkeiten und kulturellen Hintergründe der Schüler akzeptieren und daran die Art des Unterrichts ausrichten. Die große Herausforderung dabei ist die entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte.

Wie können wir die Bildungsmisere lösen?
Dräger: Wir müssen investieren statt mühsam zu reparieren: 56 Prozent seines Geldes gibt der Staat für Soziales aus, nur neun Prozent für Bildung. Wir sollten Schulen und Kitas lieber besser ausstatten, statt Transferleistungen wie Kinder-, Eltern- und Betreuungsgeld mit der Gießkanne zu verteilen.

Das Thema Hochschulbildung sparen Sie derzeit aus. Haben Sie nach der vielen Kritik an Ihrer Arbeit als Wissenschaftssenator inzwischen genug von dem Thema?
Dräger: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube nur, dass die Herausforderungen an den Schulen größer sind.

Der SPD-Senat sieht das anders - und will die von Ihnen eingeführten Studiengebühren wieder zurücknehmen.
Dräger: Mit dem Studium geht eine erhebliche persönliche Rendite einher, weil ich hinterher mehr verdiene. Warum ich dann als Student keinen Beitrag zahlen soll, erschließt sich mir nicht.